GCM 5 / 2016 GERMAN COUNCIL . inhalt vertrauen 04 Was genau ist eigentlich Vertrauen? 06 Vertrauen ist der Mut, das Risiko einzugehen, enttäuscht zu werden 12 Handel ist gefordert, pro-aktiv zu denken und Neues auszuprobieren 14 Aufweichung der Sortimentsliste ist ein ganz klarer Irrweg 16 Die Politik muss Einzelhändlern mehr Spielraum gewähren 18 Den Boom der Factory Outlets sehe ich kritisch 20 Center ohne klares Profil werden es in Zukunft sehr schwer haben 22 Vertrauen muss man sich immer wieder neu verdienen 28 Kommentar: Vertrauen schafft Wohlstand GCM 5 / 2016 GCM 5 / 2016 GERMAN COUNCIL . VERtRAUEN GERMAN COUNCIL . VERtRAUEN Er zählt zu Deutschlands bekanntesten und bestbezahlten Vortragsrednern, ist Autor von 40 Büchern, von denen manche Bestseller wurden, und berät als Marketing-Experte ei- nige bedeutende Wirtschaftsunternehmen. Hermann Scherer (52), der mit seinen interes- santen Ausführungen auch das Programm eines früheren German Council Congresses bereicherte, ist bekannt für starkes Polarisie- ren und Provozieren. Im Interview mit GCM- Chefredakteur Thorsten Müller nimmt er zu vielen aktuellen Fragen, die in Teilen auch die Einzelhandelsbranche betreffen, in seiner für ihn typischen Art Stellung. Was haben Sie zuletzt gekauft? Hermann Scherer: Einen PH-Senker, 50 Kilo- gramm schwer. Gut, dass er ins Haus geschickt wurde. Ich wohne im Hunsrück. Dort gibt es nicht allzu viel stationär zu kaufen. Vor einiger Zeit haben die Einzelhändler der Gemeinde Kas- so bei 50:50 liegt. Meine these ist im Gegen- teil eine ganz andere: Wenn Sie erfolgreich werden wollen, dürfen Sie keine Chancen nut- zen! Natürlich klingt das verrückt. Ich meine, wenn jemand im Leben die eine große Chance für sich entdeckt hat, dann sollte er ihr treu bleiben und versuchen, diese zu skalieren. Wann lebt für Sie ein Mensch nicht mehr (ohne, dass er tatsächlich gestorben ist)? Hermann Scherer: Ich glaube, dass die meis- ten Menschen nicht mehr leben. Ein Spruch von mir dazu lautet: Mit 30 gestorben – mit 70 beerdigt! Womit ich sagen will, dass viele Leu- te ihre Lebensträume in der tat viel zu früh aufgeben. Es gibt von Ihnen ein Buch mit dem Titel »Glückskinder«. Würden Sie sich selbst als Glückskind bezeichnen bzw. wenn Sie es nicht sind, wer ist für Sie ein solches? Hermann Scherer: Also ich bin kein Glücks- kind. Es ist natürlich eine Definitionssache. Die meisten sind ja eher »gegeben« glücklich. Meine these lautet: »Glück ist eine Überwin- dungsprämie«. Wir sind immer dann glück- lich, wenn wir etwas überwunden haben, eine Prüfung geschafft, einen Berg erklommen, ir- gendetwas für uns Wichtiges erreicht haben. Diejenigen, die sich stärker überwinden kön- nen, sind in der Regel auch glücklicher. Zumin- dest für diesen kurzen Moment des Glücks. Warum glauben Sie, müssen sich die Menschen nicht wirklich große Sorgen um die Welt ma- chen? Hermann Scherer: Ich könnte die Gegenfrage stellen: Warum sollten sie es tun? Denn: Es ging uns noch nie so gut wie heute. Der Luxus war noch nie so groß und die Armut war früher schrecklicher, als sie es aktuell ist. Wir wissen, dass die Menschen 150 Jahre alt werden kön- nen. Der Mensch, der es mal wird, ist jetzt schon geboren – er weiß es im Moment nur noch nicht. Und Google-Alphabet hat eine Fir- ma gegründet, die sehr wohl daran glaubt, dass VERTRAUEN IST DER MUT, DAS RISIKO EINZUGEHEN, ENTTÄUSCHT ZU WERDEN Interview mit Deutschlands Bestsellerautor und erfolgreichem Vortragsredner Hermann Scherer, der mit einer Lehre zum Einzelhandelskaufmann den Einstieg in die Berufswelt fand tellaun mit einer Aktion für Aufsehen gesorgt, als sie die Schaufenster ihrer Geschäfte zuge- klebt hat, um gegen Online-Händler wie Amazon zu protestieren. Ich fand es bemerkenswert, aber nicht wirklich intelligent, weil es so noch weni- ger Kaufanreize gab und Amazon seinen Betrieb überraschenderweise nicht eingestellt hat. Wer ist denn für Sie intelligent? Hermann Scherer: Es gibt 27 verschiedene »Intelligenzien«. Davon gefällt mir die Le- bensintelligenz am besten, die den als clever ansieht, der sein Leben besser in den Griff be- kommt als Andere. Sie haben viel geschrieben über das Nutzen von Chancen. Haben Sie denn auch Ihre eigenen Chancen genutzt? Hermann Scherer: Selbstverständlich nicht. Wenn ja, dann würde ich sicher keine Bücher mehr darüber schreiben. Ich glaube, dass mei- ne Chancennutzung wie bei vielen Menschen wir irgendwann sogar 250 werden. Früher war man mit 60 alt, heute fängt für viele da das schöne Leben erst an. Nein, ganz klar: Die Ver- sorgung ist besser, die Gesundheit – alles ist besser, das ist ein gutes Zeichen. Das sollten sich die Menschen mal ins Bewusstsein bringen und nicht immer nur das Negative sehen. Bessere Gesundheit und längeres Leben ja, aber was ist mit der Lebensqualität? Wie sieht dafür aus Ihrer Sicht das Minimum aus? Hermann Scherer: Wer essen, trinken und warm wohnen kann, hat das Minimum ge- schafft. Bei denen, die deutlich mehr wollen, spielt sich im Moment jedoch eine ziemliche Veränderung ab. Ich glaube, dass wir uns langfristig betrachtet immer mehr darauf ein- pendeln werden, das Leben zu genießen, mehr Zeit für uns selbst und unsere Familie zu haben, statt weitere materielle Güter anzu- häufen, die wir kaufen, um den Nachbarn zu beeindrucken. Eher einige, sehr schöne Dinge kaufen als 1000 belanglose. Auch sehe ich, dass – anders als noch vor 30 Jahren – reiche Menschen freiwillig bereit sind, einen nicht geringen teil ihres Vermögens zur Verfügung zu stellen, um zu helfen. Ich bin optimistisch, dass die Besitzverteilung in der Welt langsam, aber stetig gerechter wird. Der erfolgreiche Einzelhandelsunternehmer Götz Werner hat vor einigen Jahren das Grund- gehalt ins Gespräch gebracht. Kann das wirk- lich irgendwann Realität werden, gerade wenn die Roboterisierung unserer Gesellschaft erst einmal so richtig Fahrt aufgenommen hat und viele Dienstleistungen nicht mehr zwingend von Menschen erledigt werden müssen? Hermann Scherer: Ich halte es für sinnvoll, weil ich glaube, dass die Menschen nicht zur Arbeit bzw. zu so viel Arbeit gezwungen wer- den müssen, weil sie es zu einem sehr gro- ßen teil gerne tun und ihren Beitrag zum Wohle der Gesellschaft freiwillig leisten wol- len. Wir Menschen haben so eine Art Schöp- ferkraft in uns, die uns vieles tun lässt, aber es sollten auch Dinge dabei sein, die über tä- tigkeiten eines Roboters hinaus gehen. Ich glaube aber auch, dass der Roboter eine ganz, ganz wichtige Stufe zur Weiterentwick- lung der Menschheit ist. Hermann Scherer © Ben Zurbriggen Fotografie GCM 5 / 2016 GCM 5 / 2016 GERMAN COUNCIL . VERtRAUEN GERMAN COUNCIL . VERtRAUEN Es passiert nicht allzu oft, dass ein Journalist von einem Journalisten interviewt wird. Jörg Hintz war ein halbes Leben als solcher mit großer Leidenschaft tätig. Gestartet bei der Lebensmittel Zeitung, wo er schnell in die Chefredaktion an der Seite des »legendären« Theo Werdin beordert wurde, wechselte er 1978 als alleiniger Redaktionschef zur Textil- Wirtschaft (TW), die ebenfalls zum Deut- schen Fachverlag gehört, und dessen Ge- schäftsführer er zehn Jahre vor dem Ende sei- ner beruflichen Laufbahn wurde. Im Inter- view mit GCM-Chefredakteur Thorsten Mül- ler erzählt Hintz, wie er die Entwicklungen in der Branche erlebt hat, aber auch womit er sich heute in seinem seit zehn Jahren wäh- renden (Un-)Ruhestand beschäftigt. Wie haben Sie als Fachjournalist die Entwick- lung des Einzelhandels erlebt? Es gab ja tief- greifende Veränderungen. Jörg Hintz: Als ich im Dezember 1967 bei der Lebensmittel Zeitung begann, steckte der Ein- zelhandel in einem Umbruch. Besser gesagt in einem Aufbruch. Es gab immer mehr Autos, Wer gehörte denn damals sonst noch zu den Gewinnern? Jörg Hintz: Eine große Zukunft wurde auch den Großfilialisten wie P&C, Sinn, Leffers oder Wöhrl, vorhergesagt, aber ein Siegeszug wie bei den Vertikalen fand hier nicht statt. Heute wissen wir, dass für die Großfläche vor allem eine lokale Ausrichtung für den Erfolg bedeut- sam ist. Wie L & t in Osnabrück, Garhammer in Waldkirchen und viele andere. Und dann kamen die Einkaufszentren? Jörg Hintz: Ja, aber so richtig erst in den 90er Jahren. Sie profitierten besonders von der Mul- tiplikation der Spezialkonzepte, weil sie ja letzt- lich eine organisierte Versammlung von Spezia- listen sind. In dieser Zeit entstand auch eine enge Kooperation der tW mit dem German Council of Shopping Centers. Zu Peter Fuhr- mann, Elisabeth Lange und Helmut Koprian ent- wickelte ich schnell ein gutes Verhältnis. Fuhr- mann sagte bei einem German Council Con- gress: »Das ist der Herr Hintz, der hat bei der tW das thema Handelsimmobilien eingeführt.« Es war natürlich etwas übertrieben, aber Stand- ortentwicklung und Standortwahl spielten eine immer wichtigere Rolle und wurden so auch zu einem Dauerthema der tW. Center-Unternehmen wie ECE und mfi besetz- ten interessante Standorte, und sie mussten ja auch Mieterpolitik machen, Strukturen schaf- fen und immer im Gespräch mit dem Einzel- handel sein. So erhielten sie nachrichtlich und inhaltlich mehr Platz bei uns, denn auch ihre Arbeitsweise – das Centermanagement – war ja für unsere Leser interessant. Wie hat die Branche darauf reagiert? Jörg Hintz: Die Center waren natürlich starke Wettbewerber. Als mit der ECE erstmals ein Shopping-Center-Unternehmen mit dem Fo- rum-Preis der tW ausgezeichnet wurde, ru- morte es im Publikum. Wie auch vorher bei der Auszeichnung von H&M. Aber die Ent- scheidungen der Jury erfolgten zu Recht. Sie VERTRAUEN MUSS MAN SICH IMMER WIEDER NEU VERDIENEN Interview mit Jörg Hintz, dem langjährigen Chefredakteur der textilWirtschaft, der die Entwicklungen im Einzelhandel und der Medienlandschaft über mehrere Jahrzehnte hinweg hautnah und intensiv miterlebte Millionen zogen in die Vorstädte, SB-Großflä- chen entstanden, der Discount wurde bedeu- tender, die Preisbindung fiel. Massa, Wert- kauf, Mehrwert hießen die SB-Pioniere, Karstadt versuchte sie zu imitieren, aber das gelang den Etablierten aufgrund ihrer Kosten- strukturen nicht. Die textil-Produktion verlagerte sich in dieser Zeit bereits zunehmend ins Ausland. Unterneh- men wie Seidensticker machten damals den An- fang. Dann gab es in den 80ern die ersten Wir- kungen der Globalisierung und neuer Kommu- nikation. Die Vertikalisierung, mit Unterneh- men wie H&M, Benetton oder Zara, begann. Es war der Aufstieg von vertikal organisierten tex- tilspezialisten. Eng ausgerichtet – damit auch schneller in der Warenbeschaffung – agierten sie international, was eine Reihe von Vorteilen bot. Das stellte natürlich für die eher breit aus- gerichteten Warenhäuser eine beachtliche Be- drohung dar. Sie hatten zu der Zeit bereits klei- nere Standorte belegt. Aber sie waren dort nur optisch die Größten. Viele Spezialisten zeigten sich in ihrem Warenbereich leistungsfähiger. So zumindest sahen es die Kunden. Jörg Hintz © Thomas Fedra (Frankfurt) © Thomas Fedra (Frankfurt) vertrauen 22 Vertrauenmussmansichimmerwiederneuverdienen german council 01 Vorwort 6 VertrauenistderMut,dasRisikoeinzugehen,enttäuschtzuwerden impressum herausgeber German Council of Shopping Centers e. V. Bahnhofstraße 29 D-71638 Ludwigsburg Telefon 07141.38 80 83 Telefax 07141.38 80 84 office@gcsc.de www.gcsc.de beauftragter des herausgebers Rüdiger Pleus chefredaktion Thorsten Müller (v.i.S.d.P.) redaktionsteam dieser ausgabe Jürgen Hainke, David Huth, Rahel Willhardt bezug Mitgliederzeitschrift für Mitglieder des GCSC e. V. auflage 13.000 Covermotiv mitifoto – fotolia.com verlag GCM-Verlag c/o Behrens und Behrens GmbH Geschäftsführer und Verleger: Ingmar Behrens Dorfstraße 64 24107 Kiel-Ottendorf Telefon: 0431.66 111 88 11 Telefax: 0431.66 111 88 88 www.behrensundbehrens.de anzeigen Ulrich Netz Verlagsrepräsentant Breslauer Straße 18 63128 Dietzenbach Telefon: 06074.40 78 18 Telefax: 06074.40 78 19 netz@gcsc-magazin.de www.gcsc-magazin.de druck Kunst- und Werbedruck, Bad Oeynhausen Das German Council Magazin ba siert auf In for mationen, die wir als zuverlässig ansehen, eine Haftung kann nicht über nommen werden. 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