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GCM 5-2016

  GCM 5 / 2016 GERMAN COUNCIL . Vertrauen signalisierten neu entstehende Handelsfor- men. Was war dann der nächste große Verände- rungsprozess?  Jörg Hintz: Die Digitalisierung. Mit den ersten Online-Produkten ging es beim Deutschen Fachverlag bereits Mitte der 90er Jahre los. Es ist unglaublich, was seitdem alles passiert ist. Das Internet ermöglichte eine völlig neue Welt der Kommunikation. Sie brach- te sehr viele Vorteile. Aber – wie wir heute wissen – nicht alle neuen Er- rungenschaften sind wirklich auch zum Segen geworden. Ich zitiere da gern den Oxford-Professor Timothy Garton Ash, der zwar die großen po- sitiven Effekte sieht, aber das Netz auch als »denkbar größte Müllkip- pe« bezeichnet. Das ist ja auch ein politisches Thema geworden. Was heißt das konkret für den Einzelhandel?  Jörg Hintz:  Jeder Einzelhändler braucht heut- zutage zwingend ein eigenes digitales Kon- zept. Ob er einen eigenen Online-Handel be- nötigt, ist eine zweite Frage, aber er muss für die große Masse an Kunden, die schon vor dem Einkauf im Internet unterwegs ist, digital präsent sein. In jeder Branche findet dies an- ders statt. In der Textilbranche ist E-Commerce ein Riesenthema. Rund ein Viertel der Einzel- handelsumsätze von Mode und Co. erfolgt be- reits online. Der Textilbereich lag ja auch schon im Versandgeschäft an vorderster Stel- le, als es das Internet noch gar nicht gab. Das stationäre Geschäft dagegen – und das ist die Konsequenz – muss sich neu aufstellen. Wie beurteilen Sie diese für die Läden schwieri- ge Situation?  Jörg Hintz:  In der Textilbranche schließen vie- le Geschäfte, ob Filialen oder selbstständige kommen, sollte ihm nicht bange werden. Ap- ropos Erlebnis: Viele Center haben sich gera- de in den vergangenen Jahren – auch durch die zunehmende Gastronomie – zu bedeutsa- men sozialen Treffpunkten entwickelt. Was glauben Sie wird im Rahmen des Digitali- sierungsprozesses noch alles passieren?  Jörg Hintz:  Alle, auch der Handel, werden sich permanent anpassen müssen. Es wird sicher noch eine Reihe von Innovationen ge- ben, die unseren Alltag prägen wer- den. Die Spracheingabe beispielswei- se. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass sich mancher digitale Hype ir- gendwann wieder beruhigt haben wird. Man wird auch real, nicht nur übers Handy miteinander reden. Das ist zumindest meine Hoffnung. Kaufen Sie selbst auch digital ein?  Jörg Hintz: Textil nicht, aber Bücher und ganz spezielle Dinge, von denen man gar nicht weiß, in welchen Geschäften man sie be- kommt. Haben Sie einen Lieblingsort in Sachen Ein- kaufen?  Jörg Hintz:  Ich bin untypisch, weil ich mich professionell mit Einzelhandel beschäftigt habe. Ich gehe gerne in die große Stadt oder in ein interessantes Shopping Center. Wie sehen Sie denn das Verhältnis Handel und Politik?  Jörg Hintz:  Ich begrüße es sehr, dass der Ger- man Council hier aktiv geworden ist. So er- liegt der Verband nicht der Gefahr, eine Vertei- digungsbastion bestehender Strukturen zu sein. Nein, er denkt voraus. Wie es ein Götz Werner immer wieder gefordert hat. Am Bei- spiel Tengelmann kann die Politik mal wieder eindrucksvoll sehen, welche Bedeutung der Läden. Das wird sicher noch weitergehen. Große Unternehmen prüfen und bereinigen ihre Ladennetze. Einige der bekannten Akteu- re haben die Aufgabe, guten Einzelhandel zu machen, offensichtlich unterschätzt. Überdis- tribution wurde zum Problem. Stationär und online fließen zusammen. Die Läden müssen sich anpassen. Es gibt sicher keine Patentrezepte. Inszenierungen werden propagiert. Alles richtig. Aber ohne die profes- sionelle Produktpolitik, Verfügbarkeit im La- den, Beratung und Verkaufspreis läuft auch die schönste Inszenierung ins Leere. Nicht unwichtig für die Mode: Wie funktio- niert elektiver Vertrieb im digitalen Zeitalter? Louis Vuitton will nicht auf die Plattform Ama- zon, weil die nicht zum Unternehmen passt. Aber die Franzosen können nicht verhindern, dass die Produkte über andere Wege dorthin gelangen. Wie kann es der stationäre Handel schaffen, ge- gen den Rivalen E-Commerce zu bestehen?  Jörg Hintz: Wie schon gesagt, indem er selbst auch zum Online-Anbieter wird. Amazon, Za- lando und Co. haben ja umgekehrt auch erste Läden eröffnet. Online und Offline werden miteinander verschmelzen. Aber unabhängig davon muss sich der stationäre Handel auf das besinnen, was ihn auch früher erfolgreich ge- macht hat: Beratung und Haptik. Wenn dann noch Aufenthaltsqualität und Erlebnis dazu- © Thomas Fedra (Frankfurt) ›Louis Vuitton will nicht auf die Plattform Amazon, weil die nicht zum Unternehmen passt.‹ Jörg Hintz

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