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GCM 5-2016

  GCM 5 / 2016 GERMAN COUNCIL . Vertrauen den gleichen Musikern steigt man zwar auf ei- ner höheren Vertrauensstufe ein, die Symbio- se, die bis zum Konzert entstehen sollte, muss dennoch immer wieder neu erarbeitet werden. Dürfte ich wählen, ich würde lieber sofort nach dem Konzert weitermachen. Nur durch Bestän- digkeit öffnen Musiker ihr Herz für die Vision des Dirigenten, auch und selbst für die ge- schmacklich Ungemochten. Vertrauen Sie darauf, dass dass Ihre Interpre- tation richtig ist?  Leo Siberski:  In der Kunst gibt es kein richtig oder falsch, aber viel Mittelmaß. Beliebigkeit oder mangelnde Führung machen Interpreta- tionen austauschbar. Ein Dirigent muss Maß- stäbe setzen und durchsetzen, indem er seine Vision durch Bewegung und Überzeugung verkörpert. Allerdings ist Musik emotional. Nicht selten ar- ten interpretatorische Differenzen bei Musikern in ein »Den mag ich nicht, weil er andere Ideen hat« aus. Person und Inhalt zu verquicken ist un- ratsam, gehört aber zum Berufsalltag. Wichtig als Musikalischer Leiter ist, zu spüren, wo die In- Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Menschlich galt er als schwierig, in seiner musikalischen Auffassung als unbeugsam. Sein Orchester entwickelte einen unverkenn- baren Klang, der weltweite Beachtung fand. Oder nehmen Sie Christian Thielemann, Chef der Dresdner Semperoper und erster Diri- gent der Bayreuther Festspiele. Er sticht mit seinen Wagner-Interpretationen hervor. Sie machen etwas erfahrbar, das weit über das Zusammenspielen hinausgeht, etwas Aurati- sches. Der Dirigent Franz Brüggen kritisierte einmal: Wieso wollen immer alle wie eine Geige klin- gen? Oboen sollte sich nicht schämen, auch so zu klingen! Worauf er hinauswollte: Wie schafft man es, durch Vielfalt zu brillieren statt Unterschiede zu nivellieren? Verglichen mit Maria Callas sind Sängergrößen wie Anna Netrebko ein Verlust an Klangfarben. Die erste gleicht einem Floristen, der Blumen unter- schiedlichster Color und Beschaffenheit zu et- was großartig Neuem zusammenfügt, die an- dere wählt nur weiße Pflanzen. Auch die meis- ten Orchester nivellieren eher als einen Eigen- charakter auszubilden. So gesehen garantiert Authentisches Aufmerksamkeit, was gute Er- folgsvoraussetzungen schafft. Läuft die Technik der aufwendigen Orchesterar- beit nicht allmählich den Rang ab? Was geben Live-Konzerte den Menschen, was Konserven nicht können?  Leo Siberski:  Kein Lautsprecherklang kann so gut sein wie der im Konzertsaal. Im Moment pro- duzierter Klang hat etwas Unermessliches. No- tenarrangements bleiben die gleichen, aber Live- Musik ist nicht reproduzierbar. Warum das nicht in den Köpfen ankommt, hat vor allem zwei Gründe. Wir tun zu wenig, um den Unterschied zu verdeutlichen. Beispielsweise ist vor und nach dem Klang Stille. Den Kontrast gilt es für Zuhörer wie Musiker stärker zu unterstreichen, damit sie das Wunder bewusster wahrnehmen. Zweitens, wo Orchester dem Prinzip der Nivellierung und Bequemlichkeit folgen, überträgt sich auch keine Begeisterung aufs Publikum. Doch wie jeder Händler in Zeiten von eCommer- ce müssen auch wir uns ehrlich fragen: Wollen wir überhaupt die anspruchsvollen Kunden, die uns kreativ fordern? Anders gefragt: Nehmen Menschen Unterschiede nicht wahr, weil ihnen die Fähigkeit zur Differenzierung fehlt? Oder ist die Qualität der Performance so abgefallen, dass jene Differenz zwischen der immer glei- chen CD und dem fesselnden Live-Erlebnis zu klein ist? terpretationsschere auseinandergeht, um dort die eigenen Ideen besonders sorgfältig vorzuzei- gen. Nicht jedem müssen sie gefallen, aber schlüssig sollten sie allen sein. Nur so begreifen die Musiker: Ich arbeite für die Sache, nicht ge- gen euch! Meine größte Herausforderung dabei ist es, im Eifer des Kreativgefechts offen für konstruktive Impulse aus dem Kollektiv zu bleiben. Ist die Idee eines Musikers besser, bin ich gefordert, meine Lieblingsinterpretation über Bord zu werfen. Verwässert jedoch die Interpretations- lust im Orchester die Vision, gilt es gegen den Strich zu bürsten. Und so wäge ich fortwährend ab: Wo tut Anpassung Not? Was gehört durch- gesetzt, weil es für die Authentizität des Stücks unerlässlich ist? Ist Authentizität erfolgsentscheidend?  Leo Siberski:  Auf dem heutigen Musikmarkt gibt es wenig Markantes. 99 Prozent der Auf- nahmen sind perfekt, aber austauschbar. Es herrscht Homogenität. Ist eine Interpretation anders, lässt sie aufhorchen. Das gelang bei- spielsweise Sergiu Celibidache, langjährigem

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