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GCM 2-2015

  GCM 2 / 2015 GERMAN COUNCIL . Transparenz Der bekannte südkoreanische Autor und Essayist Byung-Chul Han, Professor für Phi- losophie und Kulturwissenschaft an der Uni- versität der Künste in Berlin, beschäftigt sich in seiner aktuellen Forschung mit transpa- rentem Verhalten, das er als durch neolibe- rale Marktkräfte erzwungene kulturelle Norm interpretiert. In einem ausführlichen Interview spricht er unter anderem über die Gewalt der Transparenz, den Segen des Ge- heimnisses – und über Peter Schlemihl, der seinen Schatten an den Teufel verkaufte. Herr Han, kaum ein Schlagwort bestimmt so sehr den öffentlichen Diskurs wie das der Transparenz. Woran liegt das?  Byung-Chul Han:  Derzeit ist offenbar ein Pro- zess im Gange, der sich zwar in den Begriff Transparenz kleidet, aber in Wirklichkeit weit darüber hinausführt. Was meinen Sie damit?  Byung-Chul Han: Ich höre etwas Gewaltsames aus diesem Wort heraus. Als würde man gna- denlos durch- und ausgeleuchtet, hätte keinen Rückzugsraum. So gesehen könnten wir von der Gewalt der Transparenz sprechen. Der Begriff setzt sich aus den lateini- schen Wörtern trans und parere zu- sammen. Parere bedeutet ursprüng- lich: auf jemandes Befehl erscheinen, sichtbar sein. Das Wort parieren be- deutet auch: ohne Widerspruch ge- horchen. Im Moment scheint die Transparenz tatsächlich diesen Zwangscharakter angenommen zu haben. Sie erscheint mir wie ein Instrument der Kontrolle und Überwachung. Das ist eine ungewöhnliche Sicht.  Byung-Chul Han:  Natürlich bedeutet Transpa- renz auch mehr Offenheit, mehr Demokratie und weniger Korruption. Aber es ist wichtig, den Be- griff der Transparenz über diese stereotype Defi- nition hinaus zu verdeutlichen. Man muss ihn ei- ner Beobachtung höherer Ordnung unterziehen. Gegenüber nur austauschen, wenn ich nicht al- les sofort ausspreche, was ich über ihn denke. Wenn es tatsächlich immer nur Transparenz ge- geben hätte, wäre die menschliche Kultur nicht entstanden. Geheimnis bedeutet nicht einfach Machtmissbrauch und Gewalt. Es ist kulturbil- dend. Der deutsche Philosoph und Soziologe Georg Simmel schrieb einmal, das Geheimnis sei eine der größten Errungenschaften der Mensch- heit. Gegenüber dem kindischen Zustand, in dem jede Vorstellung sofort ausgesprochen, jede Handlung allen Blicken zugänglich werde, sei durch das Geheimnis eine ungeheure Erwei- terung des Lebens erreicht, weil viele Inhalte bei völliger Offenbarung überhaupt nicht entstan- den wären. Dieser interessanten Vorstellung nach bietet das Geheimnis die Möglichkeit einer zweiten Welt neben der offenbarten. Demnach würde eine totale Transparenz des Lebens es um eine ganze Welt ärmer machen. In welchen Lebensbereichen schadet Offenheit noch?  Byung-Chul Han:  Es gibt sehr viele gesell- schaftliche Systeme, für die die Transparenz eine sehr destruktive Wirkung hätte. So gibt es beispielsweise keine transparente Re- ligion. Man darf nicht vergessen, dass die menschliche Kommunikati- on nicht transparent ist und nicht transparent sein kann. Die erotische Kommunikation etwa ist eine Kom- munikation, die in sich selbst nicht transparent ist. Die Verführung be- ruht auf dem Geheimnis. Stellen Sie sich ein transparentes Denken vor: Es ist kein Denken mehr, sondern ein Rechnen. Der Computer als Rechenmaschine ist sich selbst transparent. Dem Denken jedoch wohnt immer ein Rest an Dunklem inne. Die totale Of- fenlegung ist eine totale Starre. Sie zerstört die Lebendigkeit. Ist Offenheit in der Politik nicht erstrebenswert?  Byung-Chul Han:  Es ist natürlich begrüßens- wert, dass Missstände aufgedeckt und Korrupti- Nur eine Maschine ist transparent Der Philosoph Byung-Chul Han spricht über die Gewalt der Transparenz, den Segen des Geheimnisses – und Peter Schlemihl, der seinen Schatten an den Teufel verkaufte ›Auch das Erotische setzt das Geheimnis voraus. Wo es ganz verschwindet, beginnt die Pornografie.‹ Byung-Chul Han Macht Transparenz die Kommunikation effizi- enter oder demokratischer?  Byung-Chul Han:  Nicht unbedingt. Sie kann die menschliche Kommunikation geradezu zer- stören. Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. Zwei Computer können miteinander kommu- nizieren ohne jede Geheimhaltung und Ver- heimlichung von Information. Eine total trans- parente Kommunikation wäre eine rein ma- schinelle oder funktionale. Eine menschliche Kommunikation und die totale Offenlegung schließen einander aus. Gerade der Mangel an Transparenz macht die menschliche Kommuni- kation erst spannend und interessant, aber na- türlich auch gefährlich. Aus dem Leben lässt sich aber nicht jedes Risiko eliminieren. Es ge- hört auch zur Verführung, durch die absolute Offenlegung wird diese ebenfalls zerstört. Die totale Transparenz macht uns selbst zur Ma- schine. Der Computer ist deshalb so idiotisch, weil er nichts verbergen und verheimlichen kann. Nicht einmal das Passwort schützt ihn vor seiner prinzipiellen Dummheit. Im Gegen- satz zum Rechner kommt der Mensch ohne Passwort aus, weil er zum Geheimnis fähig ist. Stellen Sie sich zwei Schachspieler vor, die Ge- danken lesen können. Es käme kein Spiel zu- stande. Die völlige Transparenz würde für ei- nen Kurzschluss der Kommunikation sorgen. Das Geheimnis ist konstitutiv für die Spannung eines Spiels. Was heißt das, abseits dieses Beispiels?  Byung-Chul Han:  Vieles im Leben, vieles auch in der Politik und Diplomatie ist ein Spiel, ein strategisches Spiel. Ich kann mich mit meinem

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