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GCM 3-2012

GERMAN COUNCIL . verführung für fortgeschrittene   GCM 3 / 2012 Alte Tugenden in modernen Zeiten Interview mit dem Hotelier und Geschäftsmann Carsten K. Rath Text: Susanne Osadnik Der Hotelier und Geschäftsmann Carsten K. Rath über Schnelligkeit und Herzlichkeit im Job und die Loyalität von Kunden Worauf achten Sie, wenn Sie das erste Mal in einem Hotel einchecken, das nicht Ihnen gehört oder mal von Ihnen gemanagt wurde? Zunächst einmal möchte ich wahrgenommen werden. Häufig verschan- zen sich die Mitarbeiter vom Empfang hinter hohen Tresen, die wie ein Bollwerk auf mich wirken. Sie konzentrieren sich auf ihre Bildschirme und schauen kaum hoch. Tun sie es doch irgendwann, sehen sie mich gar nicht an und fragen, ob ich eine gute Anreise hatte. Jeder, der wie ich, viel reist, weiß, dass Anreisen immer mühselig sind. Das ist also eine überflüssige Frage. Die Zeiten, in denen Menschen gerne verreis- ten, sind lange vorbei – Menschen wollen ankommen. Was erwarten Sie stattdessen? Ich möchte herzlich begrüßt werden, etwa mit »Schön, dass Sie da sind, ich kümmere mich sofort um Ihr Gepäck.« Heute weiß man, dass Gäste, die nicht innerhalb von 30 Sekunden eingecheckt werden, unzufrieden sind. Ich brauche Schnelligkeit und Genauigkeit und dies herzlich! Hört sich sehr rational an. Gibt es keine emotionale Komponente? Wovon würden Sie sich etwa in einem Hotel verführen lassen? Ohne Emotionalität hat nichts im Leben Erfolg. Hochwertige Produkte ohne emotionale Botschaft können floppen. Genauso gut kann ein normales Mittelklassehotel ein Riesenerfolg werden – wenn sie Mitar- beiter haben, die Ihnen das Gefühl geben, willkommen zu sein, die Ih- nen zuhören, individuell auf Sie eingehen, Ihnen vermitteln, dass Ihre Wünsche wichtig sind. In solche Hotels kommt man immer wieder. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat sich kürzlich der Frage angenom- men, wie es künftig Einzelhändlern, Gastronomen oder auch Hoteliers gelingen kann, Kunden oder Gäste immer wieder zu begeistern und neu zu verführen. Ein schwieriges Unterfangen, wo heutzutage jedes schon fast alles hat oder sich sofort besorgen kann. Was schätzen Sie, ist dabei herausgekommen? Lassen Sie mich raten: Das Wichtigste ist und bleibt der Mensch, ob Kunde oder Gast. Und die Frage, ob ich eine Beziehung zu ihm aufbau- en kann. Exakt. Man fand heraus, dass Verführung ein Prozess ist, der über Ritu- ale, Begegnung, Produkte und Erfahrungen funktioniert und nie abge- schlossen ist. Der Verkauf ist nur der Auftakt einer Transaktion. So ist es. Konsumenten wollen immer wieder begeistert, ja überrascht werden. Nur dann kommen sie wieder. Loyale Kunden geben mehr Geld aus. Loyal sind sie, wenn sie persönlich bedient werden, also auf sie als Mensch eingegangen wird. Wie verführt man denn heutzutage? Man kann Gäste nicht mehr mit Kaviar zufrieden stellen oder indem man sie mit der Limousine vom Bahnhof abholt. Das gehört heutzuta- ge alles längst dazu – bei einem gewissen Standard. Echte Gastfreundschaft, Herzlichkeit und kompromissloser Service sind der Schlüssel zu Loyalität. Bei uns wird beispielsweise jeder Mitarbeiter dazu aufgefordert, alles, was er über den Gast weiß, aufzuschreiben und so schon im Vorfeld zu wissen, was er will. Trinkt er jeden Morgen Orangensaft? Dann kann man dafür sorgen, dass der Saft schon auf dem Tisch steht, wenn der Gast Platz nimmt. Das ist eine rein techni- sche Methode. Das kann jeder lernen. Schwieriger ist es, ein Gespür für die Stimmung der Gäste oder Kunden zu entwickeln. Kann man so etwas überhaupt lernen? Die Kabarettistin Monika Gruber überzeichnet in ihrem aktuellen Programm sehr plakativ, wie sie im Drugstore beim Kauf von Toilettenpapier gefragt wird, ob der Einkauf ihr gefallen habe. Das ist keine relevante oder intelligente Frage des Verkäufers – wirkt nicht authentisch. Aber genau darum geht es. Man kann Kunden nicht mit standardisierten Floskeln empfangen. Um mehr zu erreichen, muss man seinen Mitarbeitern auch mehr Freiraum lassen. Bei uns darf jeder alles sagen – so lange es nichts Negatives ist. Jeder begangene Fehler wird nicht sanktioniert, sondern im Team besprochen, um Doppelfehler

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