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GCM 3-2012

GCM 3 / 2012   german council . verführung für fortgeschrittene 90er-Jahren sorgte die immer raffiniertere Inszenierung der Marken mit ihrer sakralen Flagshipstore-Architektur für eine zusätzliche Erleb- nisdimension. Ende der 90er-Jahre schließlich eröffnete das World Wide Web eine völlig neue Dimension des Konsums. Im Klima der All- zeit-Verfügbarkeit von Produkten traf der Bestseller »Experience Eco- nomy« der Autoren James Gilmore und Joseph Pine Ende der 90er-Jah- re den Zeitgeist perfekt. Nur durchdacht inszenierte Erlebniswelten, die alle fünf Sinne ansprechen, so die Autoren, könnten Konsumenten künftig verführen. Das Erlebnis war das willkommene Gegenmittel zum aufkommenden Online-Handel: Produkte sollten nicht nur Bedürf- nisse stillen, sondern Eintritt in Erlebniswelten ermöglichen. In Deutschland allerdings ist in den 90er-Jahren zunächst ein ganz an- deres Erlebnis zum unabdingbaren Erfolgselement vieler Geschäftsmo- delle geworden: das Erlebnis »Preis«. Wie in keinem anderen Land ent- wickelten sich die Billiganbieter zu einer ernst zu nehmenden und bald gefürchteten Konkurrenz. Das Niedrigpreisversprechen lockte immer mehr Menschen an. Der Erfolg bestätigte die Discounter darin, ihrer Logik einer Effizienzmaschine weiter zu folgen: rationell gestapelte Ware, optimale Raumnutzung, effizientes Einkaufen – der Preis als Lustkiller. Der Werbeslogan des Elektronikhändlers Saturn hat diesem Zeitgeist einen Namen gegeben: »Geiz ist geil«. Der zweite große Lustkiller heißt heute Convenience. Schnell, einfach und bequem: So muss das Einkaufen in der 24/7-Gesellschaft funktio- nieren. Am deutlichsten zeigte sich die Ungeduld und der Wunsch nach Zeitersparnis in der Nahrungsmittelindustrie, wo der Conveni- ence-Trend die Spitzenposition erreicht hat. Die Folge: ein Klima der Anti-Verführung und ein veritabler Pragmatismus. Das Reizvolle am Shopping ist vielerorts auf der Strecke geblieben. Fnf Thesen zur Zukunft der Verfhrung Wie kann nun der Händler zu einer neuen Liaison, einem Bündnis mit dem Konsumenten zurückfinden? Die »Verführung für Fortgeschritte- ne« zeigt dies in fünf Thesen. Hier ein Überblick: 1. Der Konsument ist das erste Objekt der Begierde Das erste Objekt der Begierde ist der zu Verführende, also der Konsu- ment – mit diesem Verständnis fängt alles an. Diese schlichte Tatsache ist in den letzten Jahren zunehmend in Vergessenheit geraten. Wäh- rend die Produktauswahl stetig anstieg, schrumpfte das Vertrauen der Konsumenten. Die Bereitschaft, sich auf die Verführung einzulassen, ist heute keineswegs selbstverständlich. Der Schweizer Werber Domi- nique von Matt konstatiert für seine Branche: »Wir sind von den gehei- men Verführern zu transparenten Verführern geworden. Der Konsu- ment belohnt uns für den Charme unserer Anstrengung, aber unsere Absicht ist ihm klar.« Künftig gilt: Das erste Objekt der Begierde, also der Konsument, muss gewonnen werden, in seiner Bereitschaft, sich überhaupt auf das Verführungsspiel einzulassen. 2. Die Don-Juan-Strategie wird zum Risiko Die Rasanz, mit der in den vergangenen Jahren diverse Lebensmittel-, Unternehmens- und Wirtschaftsskandale aufgedeckt wurden, hat ver- deutlicht: Unternehmen können im Zeitalter des Web 2.0 nichts mehr verheimlichen. Wer es trotzdem versucht, geht ein großes Risiko ein und kann irreparable Vertrauensverluste erleiden. Die neue Transpa- renz betrifft auch den Preis. In Zeiten des Smart Shopping wird das Preisbewusstsein nicht versteckt, sondern gilt als »Savvyness«, als Ge- witztheit: Weil das Smart Shopping größtenteils über neue Informati- onstechnologien funktioniert, ist es Ausweis der eigenen Technologie- ©RüdigerPleus

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