GCM 1 / 2015 GERMAN COUNCIL . Exzellenz Das Verschwinden der Logos Verschlichterung auf der Produktebene heißt: Man zeigt, dass man nicht zeigen muss. Fürs Erscheinungsbild bedeutet dies: Logos ver- schwinden, wie etwa im »Quiet Shop« im alteingesessenen Londoner Warenhaus Selfridges. Der Shop versammelt »stille« Sonder-Editionen von Levi’s, Heinz, Marmite oder Clinique, die allesamt keine Markenna- men aufweisen, sondern nur das Design, vom Schriftzug befreit. Der Gedanke dahinter: Die Flakons, Verpackungen und Schrifttypen der Marken seien so ikonisch, dass es die ostentative Markenmarkierung gar nicht brauche. Wer die Marken kennt, erkennt sie ohnehin. Der neue Luxus also wird zunehmend unsichtbar. Statt It-Bag und Statuszei- chen zählen die Codes des Immateriellen – genau das macht die Dis- tinktion aus. Eingeweiht über Wissen Doch was genau muss man wissen, um die Codes der neuen Verschlich- terung lesen, um dementsprechend beim neuen Luxus mitreden zu können und – darum geht es noch immer – um dazuzugehören? Statt Statussymbole zählen neue Skills – das Wissen also um die Machart der Dinge, ihre Verarbeitung und Zubereitung. Der Connaisseur, der über Wein oder Tee, Fleisch oder Gemüse Bescheid weiß und zu jeder Zutat eine Geschichte erzählen kann, der weiß, wie ein französischer Coq au Vin oder ein italienischer Bollito misto gekocht wird und woraus, erntet heute Anerkennung, ja gar Bewunderung. Das Wissen rund ums Trin- ken und Essen ist nicht mehr nur Identifikations-, sondern auch Distink- tionsmerkmal geworden. Doch was sich beim Essen bereits abzeichnet, gilt auch für andere Berei- che: Der Weg zur echten Expertise und Kennerschaft ist lang und vor al- lem zeitintensiv. In der Gleichung »Zeit ist Luxus« liegt dabei eine ge- wisse Koketterie, ist doch ein Zeithaben auf hohem Niveau, auf der Ba- sis materieller Unbeschwertheit gemeint. Selbst dort allerdings kann man sich langweilen. Welche Expertise braucht es also für ein reiches Zeiterleben und die Wiederentdeckung der Muße? In der von Alain de Botton gegründeten School of Life in London werden die »How-to« des guten Lebens erkundet: »How to spend time alone«, »How to have bet- ter conversations« oder »How to make a difference«. In den Namen die- ser vielversprechenden Angebote schwingt immer die Sinnfrage mit. Vom Lifestyle zum Deathstyle Und schließlich, das Prinzip »Weniger ist mehr« deutet es bereits an: In einer reifen Gesellschaft dreht sich der Luxus nicht mehr nur ums Ver- schwenden, sondern auch ums Verschwinden. Das Diesseits wird be- reits aus der Perspektive des Gehens betrachtet. Dies gilt sowohl für die individuellen Biografien als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Darum geht es in dem, was wir »Deathstyle« nennen. Es sind nicht ma- kaber die letzten Tage im Angesicht des Sterbens gemeint, sondern eher eine Existenz, die aus der Perspektive der eigenen Endlichkeit bes- ser und sinnvoller geführt wird; in ihr sind Erinnerungen ebenso wich- tig wie Träume. Wer im Alter Erfahrung zu schätzen beginnt, vermag diese Perspektive besser einzunehmen und fürchtet dann im besten Fall nichts anderes mehr als den Tod – wenn überhaupt. Ein Gastbeitrag von Dr. Martina Kühne, GDI Gottlieb Duttweiler Institute Dr. Martina Kühne ist Keynote-Speaker beim Deutschen Shopping Center Forum DSCF (19. bis 20. Mai 2015). Lektüre zum Thema Dieser Essay ist ein Auszug aus der soeben erschienenen GDI-Studie: Martina Kühne, David Bosshart: Der nächste Luxus – Was uns in Zukunft lieb und teuer wird. GDI-Studie 41/2014 www.gdi.ch/studien Die höchsten Lebensziele Quelle: «Was gilt für Sie persönlich als besonders erstrebenswert?», GDI-Befragung zum Thema Luxus (Angaben in Prozent, n = 1003) D-CH (n = 500)Total (n = 1003) D (n = 503) 0% 20% 40% 60% 80% 100% Körperlich fit und gesund sein Eine glückliche Partnerschaft führen Familie mit Kinder haben Einen interessanten Job haben Viel Zeit für mich und meine Hobbies haben Eine gute Ausbildung haben Die Welt bereisen Sich sozial engagieren Einen grossen Freundeskreis haben viel Geld verdienen Einen guten Geschmack haben Besondere Fähigkeiten besitzen (z.B. gut kochen, handwerken, singen können 76 72 53 44 41 39 31 27 23 22 16 13 78 75 52 54 44 44 31 27 23 21 8 9 73 69 54 33 38 35 31 27 22 22 25 16 Die «Bucket List» des Luxus Quelle: «Welchen Luxus möchten Sie sich in Ihrem Leben unbedingt noch gönnen?», GDI-Befragung zum Thema Luxus (10 Top-Kategorien, n = 1003) 1 Ferien und Reisen 2 Wohnen und Wohnungseinrichtung 3 (Frei-)zeit 4 Mobilität (Auto, Fahrrad, Wohnmobil usw.) 5 Gesundheit und Fitness 6 Eine Familie, Partner(in), Kinder 7 Finanziell unabhängig sein 8 Weniger / nicht mehr arbeiten 9 Aus- und Weiterbildung 10 Anderes 291 122 58 54 30 15 14 12 7 32