GCM 1 / 2015 GERMAN COUNCIL . Exzellenz Weniger ist mehr Es gehört zu den Eigenarten des Menschen, dass er häufig das am meisten ersehnt, was er gerade nicht hat. Dieser Hang zur Unzu friedenheit kann durchaus Gutes bewirken, wenn Trägheit überwunden und gesunder Ehrgeiz entwickelt wird, höhere Ziele ge setzt und erreicht werden. Er kann aber auch rasch in sinnentleerten Aktionismus umschlagen, wenn sich der ersehnte Zu stand als unerreichbar herausstellt. Im be sten Fall lebt dann das unerreichbare Ziel als Traum weiter, der Träumer koppelt sich von der Realität ab. An die Stelle von Reali tätssinn tritt in diesem Moment Wunsch denken – ein weit verbreitetes Phänomen, leider auch in der Immobilienwirtschaft. Wie häufig erwecken Marktakteure den Ein- druck, dass sie gerade ein perfektes Gebäu- de errichtet haben und nun vermarkten. Ein Gebäude ohne Baumängel, mit dem perfekten Zuschnitt für den perfekten Nut- zer in allen denkbaren Konfigurationen. Das Problem ist nur: Dieser Perfektion kann man sich vielleicht dank des wissenschaftli- chen und technischen Fortschritts Schritt für Schritt annähern, man kann diesen Zu- stand aber niemals erreichen. Es liegt in der Natur des Immobiliengeschäfts, dass an allen Stellen der Wertschöpfungskette zu jeder Zeit die Unwägbarkeiten des Le- bens hereinbrechen können. In den gängi- gen Lehrbüchern ergibt das eine unendlich anmutende Kette an Risiken: Planungsrisi- ko, Genehmigungsrisiko, Altlastenrisiko, Fi- nanzierungsrisiko, Baurisiko, Kostenrisiko, Vermietungsrisiko und und und. Es ist der nachvollziehbare Versuch, der permanent nachgefragten Problemlösungskompetenz von Immobilienmarktakteuren einen Na- men geben zu wollen, der letztlich genau- so vergeblich ist wie der unterschwellige Drang zum perfekten Objekt. Es gibt wunderschöne Gebäude mit spekta- kulären Nutzungskonzepten. Doch es gibt keine Immobilie ohne Mängel. Und jetzt? Jetzt haben diejenigen ein Problem, die mit der Vermarktung von Gebäuden beauftragt sind. Sollen sie bei der Wahrheit bleiben? Sol- len sie etwa potentiellen Käufern beziehungs- weise Mietern stolz vorweisen, dass sich ihre Mängelliste über die vergangenen 10 Jahre dank besser eingespielter Bauprozesse von 500 auf 250 Positionen halbiert hat? Auch die bessere Zahl wirkt dann immer noch bedrü- ckend für die andere Seite – selbst wenn es sich um einen bemerkenswerten Fortschritt handelt. Die Komplexität eines Bauwerks, ob neu oder gebraucht, ist für Außenstehende nicht unein- geschränkt vermittelbar. Professionelle Markt akteure und Mieter brauchen Jahre, um sich einen angemessenen Erfahrungs- schatz für ihre Objektprüfung aufzubauen. Im Marketing werden die klassischen kriti- schen Punkte vor diesem Hintergrund all- zu häufig durch ausufernde Gebäudepro- sa überkompensiert. Das Immobilienmar- keting stolpert dann sprachlich und sach- lich über die eigenen Füße. Natürlich müs- sen Mängel nicht auf dem Silbertablett serviert werden. Aber sie müssen auch nicht sprachlich in einer Art und Weise zu- gekleistert werden, dass die dicke Schmin- ke sofort auffällt. Deutschland ist zuge- baut mit »spannenden Projekten« in »ein- zigartiger Lage« und »exzellenter Ausstat- tung«. Die beiden Autoren Elke Herbst ©sarpe_rom–Istockphoto.com Von der Seitenlinie