GCM 5/2017
GERMAN COUNCIL . Integration
Der Baukasten der Natur
Ameisen sind stark, Geckos wahre Kletterkünstler. Wissenschaftler versuchen, die
außerordentlichen Fähigkeiten von Tieren auf Maschinen zu übertragen. Denn in
Zukunft sollen immer mehr Roboter da eingesetzt werden, wo es für den Menschen
zu gefährlich oder zu mühselig ist
Rund um den Globus arbeiten Forscher an im
mer neuen Ansätzen in der Robotik. Ihre Ins
pirationen holen sie sich oftmals aus der Na
tur – etwa von den vielseitigen Insekten. Denn
die evolutionären Wunderwerke in Sachen
Miniaturisierung liefern die ideale Blaupause.
Die Versuche der Forscher, die Fähigkeiten der
kleinen Krabbeltiere in Maschinen zu integrie
ren, zeigen, welches Potenzial in Mutter Natur
steckt – und was die Robotik heutzutage
schon leisten kann.
Ameise schlgt Elefant
Ein Beispiel: Eine zehn Millimeter große Amei
se schafft es spielend, das 100-fache ihres ei
genen Körpergewichts zu stemmen. Das ist
enorm. Ein Elefant bringt es nur auf etwa
zehn Prozent seines Gewichts. Im Labor für
Bionik der amerikanischen Stanford University
haben sich David Christensen und Elliot
Hawkes die Kraft der staatenbildenden Insek
ten zum Vorbild genommen. Sie entwickelten
eine Roboterameise, die das 2000-fache ihres
Eigengewichts tragen kann. Jeder einzelne
Roboter wiegt dabei gerade mal 17 Gramm.
schaut. Die Reptilien besitzen eine Haftschicht
an den Füßen, die es ihnen erlaubt, an Wän
den empor zu klettern. Die Roboter kopieren
das mit einem Scheren-Mechanismus. Ist Halt
erforderlich, zieht sich die Oberfläche an den
Füßen der Roboter scherenartig zusammen. So
bekommen sie den nötigen Grip, um etwa eine
schwere Last wie ein Auto zu ziehen. Was die
Wissenschaftler in Stanford betreiben, ist noch
Grundlagenforschung. Aber Roboter, die in der
Lage sind, als Team zu arbeiten und so stark
wie eine Ameise sind, könnten in naher Zu
kunft auf Baustellen oder in Fabriken zum Ein
satz kommen.
Schon immer haben die Fähigkeiten von Insek
ten die Menschheit fasziniert. Der Philosoph
René Descartes beispielsweise hat sie mit Ma
schinen ohne jeglichem Bewusstsein gleichge
setzt. Ihr reaktives Verhalten gleicht aus heuti
ger Sicht tatsächlich dem eines Roboters. Zu
dem folgen ihre Körper einem modularen Auf
bau. Experimente haben gezeigt: Bei Wüsten
ameisen können alle Beine gegen Streichhölzer
ausgetauscht werden. Die Tiere laufen unver
ändert weiter. Motten, denen die Antennen
abgeschnitten werden, können nicht mehr flie
gen. Sie dienen ihnen als Navigationsinstru
ment. Klebt man sie wieder an, flattern sie wie
der los. So können sich die Forscher in der Na
tur wie aus einem Baukasten bedienen und ge
zielt Eigenschaften herausgreifen.
Bei einem anderen Projekt des Bionik-Labors in
Stanford haben sich die Forscher etwa gleich
bei drei Tieren Inspiration geholt. Specht, Spin
ne und Kolibri dienten als Vorlage für einen ex
trem vielseitigen Roboter. Sein Name ist
SCAMP. Die Abkürzung steht für »Stanford
Climbing and Aerial Maneuvering Platform«.
Wie der Name schon andeutet, kann der Robo
ter sowohl fliegen als auch an Wänden hoch
klettern. Wenn SCAMP fest an einer Wand
sitzt, können die Rotoren ausgestellt werden.
Das spart Energie. Im Gegensatz zu einer Droh
ne könnte dieser Roboter daher länger in ei
Sechs dieser Maschinen zusammen zogen
dann ein rund zwei Tonnen schweres Auto
langsam über den Boden. Aber wie ist diese
Leistung möglich?
Als die Wissenschaftler Ameisen beobachte
ten, fiel ihnen auf, dass sie eine Reihe bildeten,
wenn es darum ging, schwere Objekte wie
eine tote Raupe wegzuschleppen. In einer Ko
lonne aufgereiht, fingen die Ameisen damit
an, drei ihrer sechs Beine simultan zu bewe
gen. Dadurch entwickelten die Insekten als
Team zusammengenommen weitaus mehr
Kraft als jedes einzeln. »Indem wir die Dyna
mik des Teams und nicht nur des Individuums
berücksichtigt haben, konnten wir unser Team
von Mikrorobotern nach dem Vorbild der
Ameisen bauen«, sagte David Christensen der
New York Times.
Teamfhige Roboter
Die Stärke der Mini-Roboter lässt sich aber
nicht nur mit dem Teamwork der Ameisen er
klären, denn Christensen/Hawkes haben sich
eine weitere Fähigkeit bei einem Gecko abge
Man mag es kaum glauben: Diese sechs Miniroboter – jeder 17 Gramm leicht – ziehen gemeinsam ein 1,8 Tonnen schweres Auto
© Stanford Universität