GCM 5/2017
GERMAN COUNCIL . Integration
»Wir können nicht allen helfen«
Boris Palmer ist eine Reizfigur. In jüngster Vergangenheit hat er seine Parteifreunde von Bündnis
90/Die Grünen gern mit seiner ganz persönlichen Version von Flüchtlingspolitik provoziert.
Der Tübinger Oberbürgermeister will Kontingente für Flüchtlinge schaffen, um sich besser um
sie kümmern zu können, und Kriminelle schneller abschieben, um die Gesellschaft vor ihnen zu
schützen – aber auch Alte und Kranke ins Land holen. Ist der Mann nun ein Pragmatiker oder
ein verkappter Samariter?
Herr Palmer, bringt massenhafte Zuwanderung
unsere Werteordnung in Gefahr?
Nein, so einfach ist es nicht. Wenn wir wie vor
zwei Jahren 400.000 Menschen in 40 Tagen
aufnehmen, dann ja. Das waren einfach zu vie
le Einwanderer in zu kurzer Zeit. 150.000 Zu
wanderer pro Jahr, wie jetzt, stellen indes kei
ne Bedrohung des Wertesystems dar. Wie bei
allem im Leben geht es darum, eine vernünfti
ge Größenordnung zu finden.
Was müssen Migranten leisten, um dazuzuge-
hören?
Asylbewerber gar nichts. Als Kriegsflüchtlinge
haben sie bei uns einen unverbrüchlichen An
spruch auf Schutz. Wenn sie allerdings in
Deutschland bleiben möchten, womöglich
auch über Kriegsende in ihren Heimatländern
hinaus, müssen sie unsere Sprache lernen, sich
an die deutschen Gesetze halten und einen Be
ruf ergreifen, in dem sie gute Arbeit leisten.
Welche Hindernisse stehen gelungener Integra-
tion im Weg?
Sehr viele. Integration in einem fremden Land
ist äußerst schwierig – wir kennen das ja
selbst aus dem Urlaub. An allererster Stelle
der Integrationsblockaden stehen Sprachbar
rieren. Weitere Hindernisse können Woh
nungs- und Arbeitssuche darstellen. Einwan
derer müssen Kontakte zu Behörden und Insti
tutionen aufnehmen und tausend kleine All
tagsdinge bewältigen. All das ist keinesfalls
leicht zu bewältigen.
Kann Zuwanderung unserem Land Vorteile
bringen?
Natürlich! Vorausgesetzt, wir organisieren sie
so, dass wir qualifizierte Kräfte für unseren Ar
beitsmarkt gewinnen.
Wie lassen sich Parallelgesellschaften verhin-
dern?
Das funktioniert zum einen durch eine Begren
zung der Zuwanderung. Man kann halt nur
eine bestimmte Anzahl an Menschen in Schu
den Land. Und schließlich setzen wir mehr Si
cherheitskräfte und mehr Polizei ein, um die
Bevölkerung zu schützen. Denn leider tritt in
diesem Umfeld auch Kriminalität auf.
Was macht die Bundespolitik falsch?
Den Fehler der offenen Grenzen hat die Bun
desregierung korrigiert. Sie ist aber zu nach
sichtig gegenüber kri
minellen Ausländern
und zu hartherzig ge
genüber Einwanderern,
die aus dem falschen
Land kommen.
Ihr Buch heißt »Wir können nicht allen helfen«
– wem können wir denn helfen?
Leider nur sehr wenigen. Weltweit sind schließ
lich 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Die
len, Kindergärten und in der Berufswelt integ
rieren. Ein zweites probates Mittel ist die Mi
schung mit der angestammten Bevölkerung.
Asylsuchende auf Ghettos zu verteilen, steht
erfolgreicher Integration direkt entgegen und
fördert Parallelgesellschaften. Zudem muss die
Gesellschaft Integration einfordern.
Wie lösen Sie Integrati-
onsprobleme in Tübingen?
Derzeit versuchen wir, Im
migranten dezentral unter
zubringen und an mög
lichst kleine Standorte zu
verlegen. Zudem stärken
wir das Ehrenamt und stellen darüber hinaus
eine möglichst große Zahl an Sozialarbeitern
an. Diese Kräfte sind ein wichtiger Baustein für
Integration, gerade in der Anfangszeit im frem
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›Zudem muss die
Gesellschaft Integration
einfordern.‹