German Council Magazin 05.2018 - page 15

GCM 5/2018

GERMAN COUNCIL . PERSPEKTIVE
© klausdie – pixabay.com
in der Arbeiter-Zeitung »Strotter« schildert. Der
österreichische Journalist begibt sich in die Ka-
nalisation von Wien, wo Tausende damals le-
ben müssen, weil ihr Geld nicht für eine Miet-
wohnung reicht. Sie schlafen neben der Kloake
und fischen Knochen und Fett aus den Abwäs-
sern, um sie für ein paar Groschen an Fabrikan-
ten zu verkaufen, die daraus Seife für die Wohl-
habenden machen. Winters Reportagen wer-
den 1905 gebündelt und als Buch herausge-
bracht: »Im unterirdischen Wien« wird zum
Bestseller, erscheint in vier Auflagen.
Gekauft und gelesen werden die mehr als 20.000
gedruckten Exemplare vom gutsituierten Bür-
gertum. Das empört sich nach der Lektüre vehe-
ment darüber, unter welchen erniedrigenden
Umständen Menschen in der kaiser- und königli-
chen Monarchie vegetieren müssen. Die Stadt-
verwaltung schafft daraufhin Obdachlosenun-
terkünfte. Eines der ersten ist das Männerwohn-
heim Meldemannstraße im 20. Wiener Bezirk.
Armut als gefhrlicher Sprengsatz
Im zaristischen Rußland führen Armut und Hun-
ger während des Ersten Weltkriegs zur kommu-
nistischen Revolution, in deren Folge Millionen
Menschen ermordet werden, um die Welt zu ei-
ner vermeintlich besseren zu machen. Ebenso
verlieren Millionen Chinesen unter der von Par-
tei- und Regierungschef Mao Zedong entfessel-
ten Kulturrevolution ihr Leben.
Die Beispiele zeigen: Armut ist ein Sprengsatz,
der Diktatoren an die Macht bringen, Kriege
entzünden und Menschen zu Massenmorden
befähigen kann. Deshalb warnen Ökonomen
vor der sozialen Spaltung von Gesellschaften in
Arm und Reich. Das gewerkschaftsnahe Wirt-
schafts- und Sozialwissenschaftliche Institut
(WSI) in Düsseldorf sieht Deutschland stetig auf
dem Weg dorthin. »Armut hat sich in den ver-
gangenen Jahrzehnten deutlich verfestigt, aber
auch Reichtum wird immer dauerhafter«, be-
klagt die Einrichtung in ihrem jüngsten, in die-
sem November veröffentlichten Verteilungsbe-
richt. Eine Gefahr, die nach einer Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap
im Auftrag der ARD und der Tageszeitung »Die
Welt« auch die überwiegende Mehrheit der
Bürger sieht. 83 Prozent der Befragten empfin-
den danach »die Schere zwischen Arm und
Reich als großes oder sehr großes Problem«.
Die Stabilität der Gesellschaft beruhe entschei-
dend auf einer breiten, gut integrierten gesell-
schaftlichen Mitte. Doch in Deutschland »pola-
risiert sich die Gesellschaft zunehmend«, sagt
Dorothee Spannagel, Referatsleiterin für Vertei-
lungsanalyse und Verteilungspolitik am WSI.
»Nicht nur die Einkommensschere wird größer,
auch die Lebenswelten von Armen, Mittel-
schicht und Reichen fallen immer mehr ausein-
ander: Arme und Reiche konzentrieren sich zu-
nehmend in sozial segregierten Stadtvierteln
und schicken ihre Kinder auf entsprechende
Schulen.«
Diese Gemengelage scheint auch die politi-
sche Landschaft zu verändern. Nach der Jahr-
tausendwende hat die damalige Volkspartei
SPD unter ihrem Kanzler Gerhard Schröder ge-
meinsam mit den Grünen bei der Hartz-Reform
© fietzfotos – pixabay.com
die Bezugszeiten für das Arbeitslosengeld
massiv gekürzt, die Arbeitslosenhilfe quasi auf
das Niveau der Sozialhilfe gekürzt und das
Renteneintrittsalter auf 67 Jahre angehoben.
Bei der Bundestagswahl 1998 kam die SPD
noch auf stattliche 40,9 Prozent der Stimmen.
Aktuell dümpelt sie bei nur noch 14 Prozent.
Parallel dazu haben seither die Linkspartei und
mehr noch die rechtspopulistische AfD deut-
lich Zulauf erhalten.
Allerdings – was in der Debatte nicht verges-
sen werden darf: Endgültig abschaffen lässt
sich Armut nicht. Zumindest nicht nach der in
Deutschland angewandten Berechnung. Erho-
ben wird hierzulande nämlich nicht die »abso-
lute Armut«. Von ihr betroffen sind nach der
Definition der Weltbank Menschen, die pro
Tag nur maximal 1,9 US-Dollar zur Deckung ih-
res Lebensbedarfs zur Verfügung haben. Hier-
zulande geht es hingegen um die sogenannte
Wie stehen Sie zu einem neuen Dienst-
wagen? E-Mobil, Hybrid, Diesel, Benzin
oder gar kein eigenes Automehr?
Auf den Dienstwagen können vor allem un-
sere Projektverantwortlichen nicht ver-
zichten, die auch abgelegene Baustellen
schnell erreichen müssen. Um trotzdem so
umweltfreundlich wie möglich von A nach
B zu kommen, setzen wir auf Elektromobi-
lität, Hybridfahrzeuge und Carsharing. Und
wer ganz auf seinAuto verzichtenwill, kann
auf zwei Räder umsteigen und unser geför-
dertes Fahrradleasing nutzen.
RALPH SCHEER
Partner der Drees & Sommer SE
Bankenmetropole Frankfurt: Trotz enomer Wirtschaftskraft gilt laut Sozialbericht jeder fünfte Einwohner als arm
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