German Council Magazin 05.2018 - page 22

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GCM 5/2018
GERMAN COUNCIL . INTERVIEWS
ökonomisches Problem. Überschussländer wie
Deutschland sollten mehr Binnennachfrage ge-
nerieren, Haushaltsüberschüsse vermeiden und
die Investitionsbedingungen verbessern. Damit
könnten die globalen Ungleichgewichte nach
und nach abgebaut werden. Indem Überschuss-
länder wie Deutschland fiskalpolitische Anreize
geben, um Ersparnisse stärker im eigenen Land
zu investieren, würden Handelsungleichgewich-
te ausgeglichen. Im Vergleich zu anderen Indus-
triestaaten hat Deutschland derzeit eine der
niedrigsten Quoten für öffentliche Investitio-
nen. Auch der deutsche Staat kann also mehr im
eigenen Land investieren – in Schulen und Bil-
dung, in die öffentliche Infrastruktur und die Di-
gitalisierung, in Stromnetze, Straßen und beim
Aufbau eines flächendeckenden Gigabit-Glasfa-
sernetzes.
Was können die Europäer tun?
Firmen und institutionelle Anleger könnten ih-
rerseits zur Verbesserung des Kapitalstocks in
Deutschland und Europa beitragen, indem sie
mehr Geld in die Binneninfrastruktur investieren
und weniger in den USA – zumal dort über kurz
oder lang ohnehin eine Entwertung ihrer Anla-
gen droht, wenn die privaten und staatlichen
Schulden in den USA weiter aus dem Ruder lau-
fen. Schon seit Längerem warnt die Congressio-
nal Budget Office, eine überparteiliche Behörde,
dass der steigende Schuldenberg »substanzielle
Risiken« für das Land berge. Es drohe ein Finanz-
kollaps, der die Handlungsfähigkeit des Staates
lahmlegen könne. Mangels Fremdfinanzierung
würde auch der Druck auf die USA erhöht, bes-
Trump verstärkt diese Ängste, gibt aber zugleich
den starken Führer, der einfache Lösungen für
komplizierte Probleme anbietet, um zunächst
hispanische Einwanderer und globale Herausfor-
derer wie China in die Schranken zu weisen. Ob-
wohl die meisten Probleme Amerikas hausge-
macht sind, gibt Trump anderen die Schuld: Ein-
wanderern oder Wettbewerbern. Er schürt nega-
tiven Nationalismus, weil er seine Anhänger und
Amerika in Abgrenzung gegen andere definiert.
Mit seinen fremdenfeindlichen Parolen begeis-
tert er seine Anhänger, die in erster Linie weiße,
weniger gebildete Amerikaner sind. Besonders
angetan von Trump sind die Anhänger der natio-
nalistischen Alt-Right-Bewegung, eine Versamm-
lung von Rassisten, weißen Nationalisten und
teilweise Antisemiten.
Steve Bannon, Trumps Chefpropagandist im
Wahlkampf und zeitweiliger Chef-Berater im
Weißen Haus, vermengt umso bildlicher bibli-
sches Endzeitvokabular mit rassistischem Den-
ken. Die weißen Bürger Amerikas, des von Gott
auserwählten Volkes, müssen gegen das »Biest«
kämpfen. Im Entscheidungskampf des Guten ge-
gen das Böse sieht Bannon sowohl innere als
auch äußere Feinde. Sein nationalistischer Ras-
sismus richtet sich im Inneren gegen Schwarze
und Feministinnen und in verklausulierter Spra-
che auch gegen Juden. Denn das Böse in der
Welt sei durch die »Globalisten« verursacht,
dem internationalen Finanzkapital geschuldet,
das er zum Wohle der amerikanischen Arbeiter
bekämpft.
Sie sind der Ansicht, dass die USA in spätestens
zehn Jahren bankrott sind, wenn weiterhin Poli-
tik so betrieben wird wie bisher. Was müsste
passieren, um das zu verhindern?
Es ist höchste Zeit, die politische und ökonomi-
sche Problematik von Handelsungleichgewich-
ten anzuerkennen und abzubauen. Denn darin
bestehen große Gefahren, eröffnen sich aber
auch Chancen für Deutschland und Europa.
Dauerhafte Handelsungleichgewichte sind ein
politisches Problem. In Ländern mit negativer
Handelsbilanz führen sie zur Wahrnehmung,
das Ausland raube ihnen ihre Industrie. Sie näh-
ren damit zugleich die Illusion, von Protektionis-
mus profitieren zu können. Ähnlich wie schon
in Großbritannien beim Brexit-Referendum re-
bellierte bei den US-Präsidentschaftswahlen
2016 das deindustrialisierte Land gegen die Me-
tropole. Trump konnte seinen Wahlsieg gegen
das vermeintliche Washingtoner Establishment
und die sogenannten Globalisten vor allem mit
dem Versprechen gewinnen, die von den USA
forcierte Globalisierung umzukehren. Dauerhaf-
te Handelsungleichgewichte sind aber auch ein
© PACIFIC PRESS / Alamy Stock Foto
New York, 21. November 2016: Legale, gewaltfreie Demonstration vor dem Trump Soho Hotel gegen Trumps Berufung von weißen
Nationalisten, Rassisten und Islamophoben in seine Regierung – allen voran Steve Bannon, Jeff Sessions und Michael Flynn
ser zu haushalten. Denn es sind vor allem auch
Defizitländer wie die USA, die durch ihr riskantes
Finanzgebaren makroökonomische Ungleichge-
wichte befördern: 2007/2008 haben sie damit
die Weltwirtschaft kurz vor den Kollaps geführt
und auch viele deutsche Anleger um ihre Vermö-
gen gebracht.
Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um zu verhindern,
dass die erneut anschwellenden makroökonomi-
schen Ungleichgewichte wieder durch einen
größeren Schock korrigiert werden, der die Welt-
wirtschaft und auch Europas politische Systeme
einmal mehr in die Krise stürzt. Europa im globa-
len geo-ökonomischen Wettbewerb aufzustel-
len, ist das Gebot der Stunde.
Lassen Sie uns Europa noch unter einem ande-
ren Aspekt betrachten. Das Verhältnis zu den
USA war in Friedenszeiten noch nie so schlecht
wie heute. Worauf müssen sich die Europäer für
die Zukunft einstellen – wenn Trump weiter im
Amt bleibt und auch über seine Amtszeit hin-
aus?
Als der französische Präsident Emmanuel Mac-
ron forderte, Europa gegen Russland, China und
die USA zu rüsten, ließ Trumps Antwort nicht lan-
ge auf sich warten: Er empfand es als beleidi-
gend. Die Europäer sollten vorsichtig sein: Der
Schwanz wackelt nicht mit dem Hund. Selbst
wenn Europas Verantwortliche heute anfingen,
ihre Rhetorik und Militärmachtvisionen in die Tat
umzusetzen, wäre ein militärisch vereintes Euro-
pa erst in zwei Jahrzehnten soweit, sich selber
schützen zu können. Bis dahin bleiben wir vom
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