German Council Magazin 05.2018 - page 12

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GCM 5/2018
GERMAN COUNCIL . PERSPEKTIVE
Toskana 4.000 florentinische Reiter und 2.000
Fußsoldaten auf ein etwa ebenso starkes Heer
der verbündeten Städte Mailand, Lucca und Si-
ena trifft. Von den Lanzenreitern im Vorder-
grund über die Armbrustschützen im Mittelteil
bis hin zu Hellebardenträgern im Hintergrund
nimmt die Größe der Figuren mit der Distanz
immer weiter ab, sodass der Betrachter den
Eindruck gewinnt, inmitten der räumlichen
Tiefe des blutigen Getümmels zu stehen.
Mehr als 70 Jahre lang sind es allein die italie-
nischen Künstler, die die perspektivische Dar-
stellung beherrschen. Dann lässt sich der
Nürnberger Maler, Grafiker, Mathematiker und
Kunsttheoretiker Albrecht Dürer bei seiner von
1505 bis 1507 währenden Reise nach Venedig
von den großen Malern der Löwenrepublik in
dieser Fertigkeit unterweisen: Tizian, Giorgio-
ne, Palma il Vecchio. Am stärksten aber beein-
druckt ihn Giovanni Bellini, den er in einem
Brief als »pest in gemell« – als »Besten in der
Malerei« – preist.
Dürer lernt nicht nur. Er entwickelt auch ma-
thematische Formeln, um die Darstellung der
räumlichen Tiefe für andere Künstler fernab
von Italien auch theoretisch nachvollziehbar
zu machen. 1525 erscheint sein Buch »Under-
weysung der messung mit dem zirckel un
richtscheyt«, in dem erstmals die mathema-
tisch-geometrischen Verfahren der Zentralper-
spektive dargestellt werden. Und Dürer geht
noch einen Schritt weiter: Mit seinem Holz-
schnitt »Das jüngste Gericht« schafft er den
endgültigen künstlerischen Bruch mit der Be-
terpretation der Realität der Spanier Pablo Pi-
casso. 1907 malt er auf einer 243,9 mal 233,7
Zentimeter messenden Großleinwand Les De-
moiselles d’Avignon. Die »Jungen Mädchen
von Avignon« sind aus geometrischen Figuren
zusammengesetzt. Die Regeln der Perspektive
missachtet Picasso bewusst: Die am weitesten
im Hintergrund stehende Frau ist größer als
die anderen.
Es ist der Beginn des Kubismus, der Wiederga-
be der Realität in abstrakten geometrischen
Formen – der Beginn all dessen, was heute als
»Moderne Kunst« bezeichnet wird. Neben Pi-
casso ist es dessen enger Freund, der französi-
sche Maler Georges Braque, der die Kompositi-
onen aus Dreiecken, Quadraten und Kreisen
auf der Leinwand intensiv vorantreibt. Die Lor-
beeren für diese Revolution in der Kunst stün-
den jedoch nur einem zu, meint Braque:
Cézanne. Von ihm und seiner Arbeit sei mehr
ausgegangen als nur »ein Einfluss – es war
eine Initiation«. Cézanne, schreibt Braque,
»war der erste, der sich von der gelehrten me-
chanischen Perspektive abwandte«.
Ein Beitrag von
Richard Haimann,
freier Journalist
deutungsperspektive: Gott als Richter im Hin-
tergrund thronend erscheint – perspektivisch
korrekt – kleiner, als die beiden um Gnade bit-
tenden Menschen im Vordergrund.
Um die Natur so realistisch wie möglich wie-
derzugeben, nehmen sich die Maler nun auch
der Farbperspektive an. Weil feinste Wasser-
moleküle in der Luft das Licht brechen, er-
scheinen weiter entferntere Hügel und Wälder
blasser und kälter als Objekte direkt vor dem
Betrachter. In der Landschaftsmalerei werden
daher die Vordergründe zunehmend in plaka-
tiven warmen Gelb-, Orange- und Rottönen ge-
halten. Im Hintergrund hingegen dominieren
zartes, kühles Grün, Blau und Violett. Als einer
der Meister der Farbperspektive gilt der Fran-
zose Jean-Antoine Watteau. Sein 1718 geschaf-
fenes Gemälde »Einschiffung nach Kythera« –
im 18. Jahrhundert ein Phantasiereich der Lie-
be, fern aller Konflikte – zeigt die Lehren der
Farbperspektive quasi in Vollendung. Auf der
192 mal 130 Zentimeter messenden Leinwand
dominieren im Vordergrund die Ölfarben Rot,
Orange und Gelb. Im Hintergrund des heute
im Schloss Charlottenburg in Berlin hängen-
den Gemäldes schimmern helle Blau- und
Grüntöne.
Moderne Malerei spiegelt die Hektik
der neuen Zeit
Seit der Renaissance streben Künstler nach Per-
fektion. Sie wollen in ihren Bildern Menschen
und Natur so realistisch wie möglich wiederge-
ben. Doch im 19. Jahrhundert ist die Welt im
Umbruch. Die Erfindung der Maschinen verän-
dert die Gesellschaft radikal. Waren werden in
immer größerer Stückzahl immer schneller
produziert. Die Eisenbahn ermöglicht den ra-
schen Transport von Gütern und den Men-
schen das schnelle, günstige Reisen in ferne
Orte. Die industrielle Revolution führt bald
auch zu einer Revolution in der Kunst: Maler
wollen nun in ihren Werken die Hektik der
neuen Zeit widerspiegeln. Impressionisten fer-
tigen ihre Gemälde als flüchtige Momentauf-
nahme, verzichten darauf, Details exakt wie-
derzugeben – und brechen schließlich auch
mit der Darstellung der korrekten Perspektive.
Vorreiter der neuen Bewegung ist Paul Cézan-
ne. Bei den Stillleben, die der Künstler aus Aix-
en-Provence von 1880 an malt, sind Birnen
überdimensional größer als Äpfel, überragen
Tassen die Weinkrüge. Die Perspektive küm-
mert Cézanne nicht. Er setzt auf Farben und
Formen, um spannungsreiche Kompositionen
zu schaffen. Noch weiter treibt diese freie In-
© commons.wikimedia.org
Albrecht Dürer: Das Jüngste Gericht (1510), Holzschnitt auf
Büttenpapier
Wie stehen Sie zu einem neuen Dienst-
wagen? E-Mobil, Hybrid, Diesel, Benzin
oder gar kein eigenes Automehr?
Im Sommer 2018 gab ich bewusst meinen
Dienstwagen ab und wechselte auch privat
zu reinem Carsharing. Dienstlich war und
ist die Bahn für mich die bessere Alternati-
ve zum Auto – privat hatte ich vorwiegend
entsetzte Kinder zu überzeugen – bisher
ohne Erfolg … Leicht war die Umstellung
nicht, ist aber mittlerweile einem ent-
spannten Gefühl gewichen: keine Park-
platzsuche, keine Wartungszeiten, keine
Tankabrechnungen etc. Fragen Sie aber
nicht meine Kinder!
MARIO ZANOLLI
Geschäftsführer/Managing Director VÖLKEL COMPANY
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