German Council Magazin 05.2018 - page 6

GCM 5/2018
GERMAN COUNCIL . PERSPEKTIVE
Forschen, Theorien entwickeln, sie zu Papier
bringen, wieder verwerfen, neu denken, neu
formulieren – 17 Jahre Arbeit stecken in dem
Buch, das der Ökonom Adam Smith am 9. März
des Jahres 1776 beim Londoner Verlag W. Stra-
han und T. Cadell veröffentlicht: »An Inquiry
into the Nature and Causes of the Wealth of Na-
tions«. Kürzer und knackiger formuliert ist der
Titel der noch im demselben Jahr erscheinen-
den deutschen Fassung, übersetzt von Johann
Friedrich Schiller, einem Cousin des Dichterfürs-
ten Friedrich Schiller: »Der Wohlstand der Nati-
onen.«
Die Arbeit des schottischen Wirtschaftswissen-
schaftlers zählt bis heute zu den Standardschrif-
ten der Ökonomie. Nach Karl Marx' »Capital« ist
es das am zweithäufigsten weltweit zitierte
Fachbuch der Sozialwissenschaften. Was dem
Werk gleich nach der Veröffentlichung europa-
weit Aufmerksamkeit beschert: Smith ist der
erste Ökonom, der die Wirtschaftsentwicklung
neutral aus übergeordneter Perspektive be-
bensmitteln, Gütern und Waffen für die Arme-
en der Herrscher abzuwürgen. Smith aber
wählt eine neue Betrachtungsperspektive. Sie
offenbart ihm, dass nicht Anordnungen von
Herrschern entscheidend für die Wirtschafts-
leistung sind. Durch die Änderung des Blick-
winkels erkennt Smith als erster Ökonom, dass
vor allem unternehmerischer Wettbewerb
Fortschritt bringt – und damit Konjunktur und
Wohlstand eines Landes massiv steigern kann.
Die Perspektive ändern, Sachverhalte von ei-
ner neuen Warte aus in Augenschein nehmen:
Das sind die Voraussetzungen, um altherge-
brachte, scheinbar gesicherte Weisheiten zu
hinterfragen – und dabei neue Erkenntnisse zu
gewinnen. Ein Beispiel dafür liefert der Chirurg
und Geburtshelfer Ignaz Philipp Semmelweis.
Der Mediziner, 1846 Assistenzarzt in der ge-
burtshilflichen Abteilung des Allgemeinen
Krankenhauses Wien, fragt sich, weshalb Müt-
ter, die nach der Entbindung von Medizinern
betreut werden, zehnmal so häufig am Kind-
WARUM WIR ADAM SMITH AUF EWIG
DANKBAR SEIN SOLLTEN ...
Wer seine Perspektive wechselt und Dinge neu betrachtet, kann große Entdeckungen machen.
Ein Streifzug durch die Geschichte von Astronomie, Medizin und Ökonomie
schreibt. Weder göttliche Fügung noch Verord-
nungen von Königen sorgen dafür, dass Land-
wirte ihre Felder bestellen, Handwerker ihre
Dienstleistungen anbieten und Kaufleute mit
Waren aus nah und fern Handel treiben. Der
Motor all diesen Treibens, das arbeitet Smith
erstmals in der Geschichte der Ökonomie her-
aus, ist das »Streben nach Gewinn«.
Unternehmerischer Wettbewerb
bringt Fortschritt
Der heute als Vater der Nationalökonomie gel-
tende Wissenschaftler hat diesen Gedanken
durch einen Vogelblick auf das Wirtschaftsge-
schehen entwickelt. Die Betrachtung der Öko-
nomie als Ganzes stellt in der damaligen Zeit
etwas vollkommen Neues da. In allen zuvor
publizierten Schriften wurde die Wirtschaft al-
lein aus der kameralistischen Perspektive des
Staates gesehen, dem es daran gelegen war,
möglichst hohe Steuereinnahmen zu generie-
ren, ohne dabei jedoch die Produktion von Le-
© commons.wikimedia.org (3)
Ignaz Philipp Semmelweis
Galileo Galilei
Charles Darwin
1,2,3,4,5 7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,...92
Powered by FlippingBook