German Council Magazin 05.2018 - page 21

GCM 5/2018

GERMAN COUNCIL . INTERVIEWS
denten und seine Entourage in die Enge treiben
helfen, desto höher wird das Risiko für Trump,
seines Amtes enthoben zu werden. Doch umso
größer wäre dann die Gefahr, dass Trump einen
Krieg vom Zaun bricht, der wiederum dazu füh-
ren könnte, dass sich seine patriotischen Lands-
leute stärker hinter ihren Präsidenten und Ober-
befehlshaber scharen.
Donald Trump erklärt ständig irgendjemanden
zu seinem Feind. Demokraten, Migranten, Men-
schen, die sich in NGOs engagieren. Worauf
müssen wir uns mit Donald Trump für das kom-
mende Jahr einstellen? Und wann wird er einen
Krieg mit dem Iran anzetteln?
Die USA könnten, nachdem sie das Nuklearab-
kommen mit dem Iran aufgekündigt und die
Sanktionen verschärft haben, weitere Konse-
quenzen folgen lassen. Sollten Trump und seine
Sicherheitsberater zu der Einschätzung kommen,
dass der Iran Atombomben baut, werden sie
schnell reagieren und Präventivschläge gegen
den Iran führen oder zunächst Israel oder Saudi-
Arabien dazu freie Hand lassen. Dafür spricht
auch ein neues mögliches Kriegskabinett in Wa-
shington: Trumps aktueller Außenminister Mike
Pompeo ist, anders als sein Vorgänger Rex Tiller-
son, in der Iran-Frage ein Hardliner. Trumps neu-
er Sicherheitsberater John Bolton fordert schon
seit Längerem, mit Bomben die iranische Atom-
bombe zu verhindern: »To Stop Iran‘s Bomb,
Bomb Iran«.
Trumps »wirtschaftsnationale Bewegung« hätte
umso mehr Aufschwung, sollte Amerika sich
auch an der Heimatfront wieder für einen Krieg
rüsten müssen. So leidvoll der bislang letzte grö-
ßere Krieg, der Waffengang gegen den Irak,
auch für die Menschen vor Ort und für US-ameri-
kanische Soldaten und deren Angehörige war, so
gewinnbringend bleibt er für einige Industrie-
zweige, allen voran für den militär-industriellen
Komplex. Für Trump böte ein Krieg gegen einen
äußeren Feind auch mit Blick auf seine mögliche
Wiederwahl in zwei Jahren eine Chance, sich als
Oberster Befehlshaber bei den Wählern zu profi-
lieren.
Zurzeit kursieren Gerüchte, dass Hillary Clinton
nochmal zur nächsten Wahl antreten will. Ist
den Demokraten noch zu helfen, wenn sie das
unterstützen?
Hillary Clinton wäre wieder die beste Wahl-
kampfhilfe für Trump. Einmal mehr würden sich
viele Amerikanerinnen und Amerikaner für das
für sie kleinere Übel entscheiden: Religiöse Ein-
stellungen und die Haltung zu sogenannten
moral issues wie Abtreibung sind wahlentschei-
dend in »God’s own country«. Hillary Clinton
scheiterte zwei Jahre zuvor an dieser »Gretchen-
frage«. Zwar ließ bei den vergangenen Präsident-
schaftswahlen die Demokratin Clinton keine Ge-
legenheit aus, ihre religiösen Überzeugungen
mitzuteilen. Doch ihre Verpflichtung, vor allem
gegenüber jüngeren Frauen, für das Recht auf
Abtreibung einzustehen, machte sie zur idealen
Bedrohung für das »Leben ungeborener Kin-
der«, womit sie Trump half, wertkonservative
Wähler an sich zu binden. Christlich rechte Wäh-
lerinnen und Wähler stimmten bereits mit über-
wältigender Mehrheit ganz pragmatisch für den
nicht so bibelfesten und wenig keuschen Trump,
weil er mit Mike Pence einen Vizepräsident-
schaftskandidaten aus ihren Reihen auswählte
und ihnen zugleich zusicherte, als Präsident nur
von ihnen gebilligte Richter für das Oberste Ge-
richt zu nominieren. Mit der Veränderung der
Mehrheit des neunköpfigen Supreme Court soll
vor allem das Abtreibungsurteil aus dem Jahr
1973 revidiert werden.
Wie müsste sich ein geeigneter Kandidat oder
eine Kandidatin positionieren, um es mit Trump
aufnehmen zu können?
Solange es der US-Wirtschaft mehr oder weniger
gut geht und nicht eine Krise wieder wirtschaftli-
che Themen in den Vordergrund drängt, bleiben
sogenannte moral issues ausschlaggebend. Die
Demokraten haben dabei weiterhin einen
schwierigen Drahtseilakt zu meistern. Auch jene
Senatorinnen und Senatoren, die in zwei Jahren
zur Wiederwahl in Einzelstaaten antreten müs-
sen, die Trump bei den Präsidentschaftswahlen
gewann. Einerseits fordern liberale Wählerinnen
und Wähler von den Demokraten, sich für das
»Recht auf reproduktive Selbstbestimmung« ein-
zusetzen. Andererseits werden die Volksvertreter
vor allem von evangelikalen und katholischen
Kirchen aufgerufen, das »Recht auf Leben« zu
verteidigen. Diesen Drahtseilakt hat etwa die de-
mokratische Senatorin Heidi Heitkamp bei den
Kongresswahlen 2018 nicht gemeistert: Sie
stimmte gegen Trumps Kandidaten für das
Oberste Gericht, Brett Kavanaugh, und bezahlte
dafür mit ihrer Niederlage bei den Wahlen.
Wie kommt es, dass eine große Zahl Amerikaner
den einen Milliardär, Donald Trump, der fast
täglich bei dilettantischem Lügen erwischt wird,
als einen von ihnen bezeichnen und zu ihrem
Vorbild erklären, und einen anderen Milliardär,
George Soros, der gar kein politisches Amt inne-
hat, dafür verantwortlich machen, wenn Trumps
Pläne mal wieder scheitern?
Der Demagoge Donald Trump hat es mit dieser
für viele auch unterhaltsamen Schlammschlacht
geschafft, Menschen wieder für das politische Ge-
schehen zu begeistern, die sich davon schon lan-
ge verabschiedet hatten. Er gibt den Ohnmächti-
gen wieder eine Perspektive und, viel wichtiger,
eine Stimme. Denn immer mehr weiße Amerika-
ner haben Abstiegsängste. Sie befürchten, dass
ihnen Afroamerikaner, Latinos und asiatische Ein-
wanderer den Rang ablaufen. Auch Amerikas Po-
sition in der Welt scheint gefährdet zu sein.
Das Weiße Haus: Amtssitz des amerikanischen Präsidenten und Schicksalsort, an dem schon immer für die ganze Welt bedeutsame
Entscheidungen getroffen werden
© Aaron Kittredge – pexels.com
1...,11,12,13,14,15,16,17,18,19,20 22,23,24,25,26,27,28,29,30,31,...92
Powered by FlippingBook