German Council Magazin 05.2018 - page 3

VORWORT
Liebe Leserinnen und Leser,
ich freue mich, als neu gewählter Vorstand
mein erstes Vorwort verfassen zu dürfen. Es ist
nicht nur eine Ehre für mich, sondern eine Ver-
pflichtung, an dieser Stelle in ganz besonderer
Weise auf die Herausforderungen, Probleme,
Chancen und auch Perspektiven unserer Bran-
che hinzuweisen. »Perspektiven« so lautet auch
der passende Titel dieser Jahresendausgabe,
und so kann ich mich konzentriert einem aus
meiner Sicht bedeutenden Thema widmen, das
»perspektivisch« zu massiven atmosphärischen
Störungen in der Immobilienwirtschaft führen
wird.
Gemeint sind die exorbitant gestiegenen Bau-
kosten, die naturgemäß existenzieller Bestand-
teil einer prosperierenden Immobilienwirtschaft
sind. Kein Neubau, kein Umbau und keine Revi-
talisierung würde je den Zeichenblock des Pro-
jektentwicklers und in der Folge des Architekten
verlassen, wenn es nicht eine kompetente Bau-
wirtschaft mit fachlich qualifizierten Gewerken
gäbe. Größten Respekt haben alle vor der kom-
plexen Leistung, die erforderlich ist, ein Shop-
ping Center oder eine große mischgenutzte
Handelsimmobilie zu erbauen. Diese »Königs-
disziplin« der Immobilienwirtschaft verlangt
höchste Leistung aller Beteiligten auf der einen
Seite, aber auch von allen im Sinne einer guten
Partnerschaft königliches, vielleicht besser »rit-
terliches« Verhalten. Nun mag der eine oder an-
dere sicher seine eigene Vorstellung von »kö-
niglichen Tugenden« haben, daher erwähne ich
hier nur kurz drei, die mir am auffälligsten in Be-
zug auf das derzeitige Verhalten einiger Akteure
aus der Bauwirtschaft besonders ins Auge fallen:
Es sind die »Würde«, das »maßvolle Leben« und
die »Beständigkeit«. Hierbei sei angemerkt, dass
es durchaus nicht schaden kann, sich im allge-
meinen Leben auch daran zu orientieren.
Die »Würde«: Wer in den vergangenen zwei Jah-
ren meint, seine Baukosten ohne sinnhafte und
nachhaltige Begründung wie zum Beispiel die
Weitergabe der Gewinne an die Mitarbeiter
durch höhere Löhne oder der Verwendung von
deutlich besseren Baumaterialen um 20 bis 25
Prozent erhöhen zu müssen, der stellt seine ge-
sellschaftliche Haltung durchaus in Frage. »Wür-
de« beruht auf Respekt vor den Bedürfnissen an-
derer und einem »würdevollen« Umgang mitein-
ander. Wenn sich eine Seite die »Taschen füllt und
nicht an morgen denkt« und alle das erkennen,
dann ist es um die »Würde« getan. Ein »maßvol-
les Leben« bedeutet dementsprechend ein ge-
sundes Augenmaß zu finden, das allen ein gutes
Leben ermöglicht. Und schließlich die »Bestän-
digkeit« – im Prinzip die Ureigenschaft der Bau-
kunst – meint auch, dass es nach dem Heute ein
Morgen geben muss und auch ein Übermorgen.
Kurzum gibt es gute und schlechte Tage, und an
allen muss man miteinander auskommen.
Wenn wir heute für 100 Millionen Euro ein gro-
ßes Immobilienprojekt bauen und den Grund-
stein legen, dann haben wir aufgrund der lan-
gen und oft sehr bürokratischen Planungszeit
drei bis sechs Jahre investiert. Die Baukostenkal-
kulation ist aus den Anfängen der Planung und
wird natürlich fortlaufend angepasst. Die Inves-
toren wissen dies, kennen die Märkte wie zum
Beispiel die steigenden Lohnkosten. All das ist
eingepreist. Wenn auf Ausschreibungen dann
ohne nachvollziehbare Begründung die ent-
sprechenden Angebote plötzlich 20 bis 25 Pro-
zent teurer sind, dann fehlen einem die Worte.
Wenn dann nicht gebaut wird, hat keiner etwas
davon und ja, es wird auch wieder schlechte Zei-
ten für die Bauwirtschaft geben. Wer nur an
heute denkt und nicht die »Perspektiven« sieht,
ist ein schwer einzuschätzender Partner, und
das passt nicht wirklich zur Königsdisziplin und
zu einer gemeinsamen Zukunft.
Gehen wir aufeinander zu und gemeinsam
durch das Ziel. Augenmaß wünscht sich die
Shopping-Center- und Handelsimmobilienbran-
che von der Bauwirtschaft 2019.
Ihnen eine schöne Weihnachtszeit und einen gu-
ten Start in das neue Jahr
Ihr Harald Ortner
1,2 4,5,6,7,8,9,10,11,12,13,...92
Powered by FlippingBook