German Council Magazin 05.2017 - page 25

GCM 5/2017

GERMAN COUNCIL . Integration
leri. »Während ein Euro im Schnitt nur 5,1 mal
im Jahr den Besitzer wechselt, wird jeder
Chiemgauer im Mittel mehr als elfmal inner­
halb eines Zwölf-Monatszeitraums ausgege­
ben.« Entscheidend ist dabei jedoch noch ein
weiterer Punkt: Komplementärwährungen sind
immer nur Zahlungsmittel in ihren jeweiligen
Regionen. Abseits vom Chiemsee ist der Chiem­
gauer nur ein bedrucktes Stück Papier – und da­
mit wertlos. Der Sterntaler gilt nur im Berchtes­
gadener Land, der Hallertauer lediglich rund
um Pfaffenhofen, der Elbtaler allein in der Dres­
dener Region. Das macht dieses besondere
Geld für örtliche Unternehmen interessant. Al­
lein den Chiemgauer akzeptieren inzwischen
mehr als 600 Firmen als alternatives Zahlungs­
mittel – von Kaufhäusern wie Unterforsthuber
über Bäckereien, Gastronomen, Supermärkte,
Steuerberater und Rechtsanwälte bis hin zu
Handwerksbetrieben. »Sie wissen, dass Kun­
den, die eine Regionalwährung besitzen, damit
nicht außerhalb einkaufen können«, sagt der
Regios-Vorstand.
Die Unternehmen gingen mit der Akzeptanz
des Schrumpfgeldes kein Wertverlustrisiko
ein. »Sie nutzen den Chiemgauer, um damit
Dienstleistungen unter einander zu beglei­
chen«, sagt Gelleri. Der Schuster bezahle die
Brötchen in der Regiowährung, der Bäcker
trägt das Schrumpfgeld zum Schlachter und
der wiederum zum Bäcker. »Es entsteht ein
fortwährender Geldkreislauf, der die Unter­
nehmen stärkt«, sagt der Regios-Vorstand.
Chiemgauer: In der Region,
fr die Region
Diesen Vorteil sehen auch lokale Finanzinstitu­
te und unterstützen deshalb das komplementä­
re Geld. Die Sparkasse Traunstein-Trostberg ist
gleich bei der Einführung des Chiemgauers mit
dabei, bietet Kunden sofort die Führung von
Konten in der Regionalwährung an. »Die hinter
dem Alternativgeld stehende Idee ‚In der Regi­
on, für die Region‘ entspricht auch der Strategie
unseres Hauses«, sagt Vorstandsmitglied Stefan
Nieß. Inzwischen sind auch die Sparkassen in
Haidholzen, Prien und Rosenheim sowie die
Volksbanken in Amerang, Grassau, Inzell, Prien
und Raubling mit dabei. In ihren Filialen kön­
nen Kunden Euro in Chiemgauer und zurück
konvertieren. Je nachdem, welche Währung sie
gerade benötigen.
Der Wirtschaftskundelehrer Gelleri hatte den
Chiemgauer 2003 maßgeblich mit auf den Weg
gebracht. Im Jahr zuvor war die Weltkonjunktur
durch das Platzen der Internet-Blase in ihre ers­
te schwere Krise im neuen Jahrtausend geraten.
Die Idee des Schrumpfgeldes ist allerdings viel
älter. Entwickelt hat sie der deutsche Finanzthe­
oretiker Silvio Gesell. Der 1862 geborene Kauf­
mann kommt im Lateinamerikahandel zu Ver­
mögen. Er sieht aber in den Wirtschaftskrisen
der 1890er Jahre in Europa und Südamerika,
Zweck
Werterhalt
Tauschkurs
Rücktausch in Landeswährung
Zahlungsmittel
Rechtlicher Status
Regionalwährung
Ankurbelung der regionalenWirtschaft
Nein – Geld verliert jedes Quartal anWert, wenn es nicht ausge-
geben wird
Eins zu Eins gegenüber der jeweiligen Landeswährung. Ein
Chiemgauer ist immer einen Euro wert.
Ja
Nur in der jeweiligen Region
Regionalwährungen sind von den nationalen Notenbanken ge-
duldet, aber kein offizielles Zahlungsmittel; einzige Ausnahme:
Der 1934 geschaffene Schweizer WIR ist eine von der Schweizer
Nationalbank genehmigte Komplementärwährung mit eigenem
Börsencode und kann neben dem Franken auch in andereWäh-
rungen getauscht werden
Kryptowährung
Schutz vor Inflation
Ja – Durch die Begrenzung der Währungseinheiten steigt der
Wert stetig, allerdings unter Schwankungen. Seit Einführung des
Bitcoins hat das Cybergeld in Euro 5.898 Prozent gewonnen
Schwankt mit der Wertentwicklung der Kryptowährung gegen-
über nationalenWährungen
Ja
Weltweit
Der Bitcoin ist laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine of-
fizielle Währung. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
aufsicht (BaFin) ordnet den Bitcoin als mit anderen Devisen ver-
gleichbare Währungseinheit ein. Andere Kryptowährungen ha-
ben bislang keinen vergleichbaren Status.
Quelle: LBBW, Regios, eigene Recherchen
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