German Council Magazin 05.2018 - page 44

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GCM 5/2018
GERMAN COUNCIL . INTERVIEWS
»DER ONLINE-HANDEL
NÄHERT SICH SEINEM LIMIT«
Helmut Kurz
, Immobilienaktien-Fondsmanager beim Bankhaus Ellwanger & Geiger,
hält die Kursverluste bei Aktien von Shopping-Center-Betreiber für nicht gerechtfertigt
und erwartet eine Gegenbewegung an den Börsen
Herr Kurz, die Aktienkurse börsennotierter
Shoppingcenter-Betreiber wie die Deutsche
EuroShop AG, Simon Property oder Unibail-Ro-
damco-Westfield sind in den vergangenen drei
Jahren um zum Teil mehr als 30 Prozent gefal-
len. Jetzt haben Sie für Ihren Fonds in Unibail-
Papiere investiert. Ein Widerspruch zu der al-
ten Börsenweisheit, wonach Investoren nie in
ein fallendes Messer greifen sollten?
Nein (lacht). Das ist kein Griff in ein fallendes
Messer, sondern eine wohlüberlegte Anlage-
Entscheidung. Sehen Sie, die Börse neigt ei-
nerseits zu Übertreibungen. Andererseits kor-
rigiert sie Übertreibungen jedoch mit steter
Regelmäßigkeit.
Die Kursverluste bei den Aktien der Shopping-
Center-Betreiber sind in Ihren Augen übertrie-
ben?
Exakt. Richtig ist, es gibt einen strukturellen
Wandel im Einzelhandel durch den E-Commer-
ce. Verbraucher haben in den vergangenen
Jahren kontinuierlich immer mehr Waren über
das Internet bestellt. Das geht ganz klar zulas-
ten des stationären Handels. Andererseits
steht der stationäre Handel jedoch bei weitem
knapp elf Prozent und prognostiziert für dieses
Jahr einen Zuwachs von 9,3 Prozent ...
Natürlich wächst der Online-Handel weiter. Aber
bei weitem nicht mehr so stark wie in der An-
fangsphase, in der die Branche Umsatzsteigerun-
gen von mehr als 50 Prozent pro Jahr erzielte.
Nun flacht sich das Wachstum immer mehr ab.
Stimmt die Prognose vom bevh, würde der Zu-
wachs dieses Jahr erstmals unter der Marke von
zehn Prozent liegen. Und in den kommenden
Jahren wird das prozentuale Plus weiter sinken.
Dies liegt zum einen daran, dass die Basis immer
breiter geworden ist. Den Umsatz von einem
Jahr auf das andere von zehn Millionen auf 20
Millionen Euro zu steigern, ist leicht für eine
neue innovative Branche. Bei den in 2017 er-
reichten 58,5 Milliarden Euro sind zweistellige
Zuwachsraten nicht mehr machbar.
Immerhin entfällt rund jeder achte im Einzel-
handel ausgegebene Euro auf den E-Com-
merce ...
Das entspricht aber nur einem Marktanteil von
12,5 Prozent. Selbst wenn dieser Anteil in den
kommenden Jahren auf 20 Prozent steigen
sollte, würden immer noch 80 Prozent aller
Umsätze im stationären Handel erzielt werden.
Das ist eine komfortable Ertragsbasis für bör-
sennotierte professionelle Vermieter von Ein-
zelhandelsflächen. Und ob der E-Commerce
auf einen Anteil von 20 Prozent kommen wird,
bleibt abzuwarten. Sie dürfen nicht vergessen,
Kunden wollen zwar bequem einkaufen. Aber
das bedeutet nicht, dass sie Waren ausschließ-
lich über das Internet bestellen wollen. Den
Großteil der Produkte wollen sie vor dem Kauf
haptisch prüfen und genau in Augenschein
nehmen. Und sie wollen nicht Zeit damit ver-
schwenden, Pakete mit Retouren aufwendig
zurückzuschicken, weil die bestellten Waren
nicht gefallen oder nicht passen.
Sie sagen damit, dass der E-Commerce lang-
fristig nur einen begrenzten Anteil am Einzel-
handel erobern kann?
nicht so schlecht da, wie es die Kursverluste
bei den Aktien der Shopping-Center-Betreiber
nahelegen.
Sie spielen darauf an, dass die börsennotier-
ten Center-Betreiber Umsätze und Mieterträge
mit wenigen Ausnahmen steigern konnten?
Richtig. Es gibt eine erhebliche Diskrepanz zwi-
schen den vermeldeten Zahlen der Unterneh-
men und der Kursentwicklung ihrer Aktien. Und
dies bereits seit geraumer Zeit. Fundamental er-
scheint der Kursrückgang auf die inzwischen er-
reichten Niveaus deshalb nicht mehr gerechtfer-
tigt. Es handelt sich vielmehr um eine negative
Übertreibung. Deshalb steht zu erwarten, dass
sich die Aktienkurse der meisten Center-Betrei-
ber wieder erholen – eben weil Übertreibungen
an den Börsen mit schöner Regelmäßigkeit im-
mer wieder korrigiert werden.
Vielleicht hat die Börse jedoch nur die künftige
Geschäftsentwicklung bei den Shopping-Cen-
tern vorweg genommen. Schließlich wächst
der E-Commerce ja weiterhin. Der Bundesver-
band E-Commerce und Versandhandel (bevh)
verzeichnete 2017 in Deutschland ein Plus von
© geralt – pixabay.com
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