German Council Magazin 05.2018 - page 36


GCM 5/2018
GERMAN COUNCIL . INTERVIEWS
Der Glaube, man könnte einen Zustand errei-
chen, auf dem man sich ausruhen kann, ist ein
Irrglaube. Die Regeln, die man geschaffen hat
und die eine Zeitlang gut funktionieren, kön-
nen schon morgen wieder ausgehebelt sein.
Wir haben es beim Steuerbetrug mit teils orga-
nisierter Kriminalität zu tun, die sehr kreativ ist.
Die Triebfeder ist die ungebremste Gier, und in
diesem Metier gibt es kein Sättigungsgefühl.
Da trifft auch Bertolt Brechts Einschätzung lei-
der nicht mehr zu: Erst kommt das Fressen,
dann die Moral. Bei diesen Leuten ist nach dem
Fressen schon wieder vor dem Fressen. Die ein-
zige Chance, ihnen beizukommen, ist das Risiko
zu erhöhen und die Rendite zu vermiesen. Das
Ganze lebt ja davon, dass ungeheuer große
Summen gedreht werden müssen, um Geld zu
machen. Da muss angesetzt werden. Es darf
sich einfach nicht lohnen. Allerdings muss ei-
nem klar sein, dass sich diese Betrüger schnell
wieder ein neues Feld suchen werden.
Und wie sieht es mit dem zu erhöhenden Risiko
aus?
Für viele dieser Leute ist allein der Gedanke, je-
mals strafrechtlich belangt werden zu können,
ein Albtraum. Wer im Luxus schwelgt, kann sich
mit einem Jahr hinter Gittern besonders schlecht
anfreunden. Deshalb hat so mancher Finanzbe-
rater irgendwann lieber ausgepackt. Und deren
Kunden sind ja häufig ganz honorige Persön-
lichkeiten – zumindest wirken sie so nach au-
ßen. Der Imageschaden, der mit einer Gefäng-
nisstrafe einherginge, wäre immens. Davor
fürchten sich viele. Da muss der Staat ansetzen.
Wenn die politische Spitze aber keine eindeutige
Haltung ausstrahlt, werden sich die Fahndungs-
stellen fragen, wie weit sie ohne klare Rückende-
ckung ins Risiko gehen sollen. Dann erlahmt
manches Engagement, ohne dass es dazu einer
ausdrücklichen Anweisung bedürfte. Reden und
Tun der Politik fallen dann schnell wieder ausein-
ander.
Sie sind teilweise scharf dafür kritisiert worden,
dass Sie Daten angekauft haben. Sind Sie auch
mal ohne Bezahlung an Steuer-CDs gekommen?
Da gab es mal einen Datenanbieter, der dem
Land Rheinland-Pfalz einen halben Datensatz an-
geboten hat, damit man schon mal sehen konn-
te, was drauf ist. Danach sollte über den Preis
verhandelt werden. Die Rheinland-Pfälzer haben
uns die Daten zukommen lassen, weil wir in
Wuppertal so etwas wie das Zentrum für die CD-
Auswertung geworden waren. Was damals nie-
mand wusste, war, dass dieser Verkäufer die an-
dere Hälfte der CD in Frankreich angeboten hat.
Die Franzosen sind auf dieselbe Idee gekommen
wie die Pfälzer und haben uns die andere Hälfte
geschickt, damit wir checken konnten, ob die Da-
ten brauchbar waren. So sind wir ohne einen
Cent an eine komplette CD gekommen.
Apropos Frankreich und Nachbarschaft. Wäre es
angesichts der schwierigen Situation der EU und
der bevorstehenden Wahlen nicht ein gutes Zei-
chen für die Bürger, wenn sich alle auf ein ge-
meinsames Vorgehen gegen Steuerbetrug eini-
gen könnten?
Ob Prominente aus dem Sport oder dem Show-
geschäft, Industriebosse oder Banker – je be-
kannter jemand ist und je mehr Einfluss er hat,
desto mehr wird er Freiheitsentzug fürchten.
Geld ist ja meistens genug da. An die Moral
kann man nicht appellieren.
Sie sind sicherlich der bekannteste Länderfi-
nanzminister. Mit Ihnen verbindet die Republik
gekaufte CDs mit Daten über Steuerbetrüger
und jede Menge Selbstanzeigen. Was ist daraus
inzwischen geworden? Immerhin war das ein
lukratives Geschäft für Vater Staat.
Die Datenträger haben damals 19 Millionen Euro
gekostet, und wenn man alles zusammenrech-
net, was an Bußgeld und Steuernachzahlungen
geflossen ist, kommt man auf rund sieben Milli-
arden Euro, die an die Allgemeinheit zurückge-
flossen sind. Das Geld ist übrigens allen Ländern
zugutegekommen. Deshalb haben wir auch die
Kosten durch alle Länder geteilt. Das hat einige
aber nicht davon abgehalten, in der Öffentlich-
keit die Nase über unser Vorgehen zu rümpfen.
Dass Nordrhein-Westfalen momentan offenkun-
dig mit gedrosselter Energie an die Verfolgung
von Steuerstraftaten herangeht, liegt meines Er-
achtens an einem Dilemma für meinen Nachfol-
ger. Schließlich sprechen mich noch heute viele
CDU-Wähler an, die mein Vorgehen absolut rich-
tig fanden und sich eine Fortsetzung des konse-
quenten Einsatzes gegen Steuertrickserei wün-
schen. Zugleich gibt es auch eine nicht zu unter-
schätzende Klientel, die das nicht so gern sieht.
Buchtipp
Steuern – Der große Bluff. Der frühere NRW-Finanz­
minister berichtet von seinem Kampf gegen Steuer-
hinterziehung und widerlegt die Mythen, die über
unser Steuersystem verbreitet werden.
© Kiepenheuer & Witsch
© Kai Swillus / buntmetall.net
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