German Council Magazin 05.2017 - page 15

GCM 5/2017

GERMAN COUNCIL . Integration
Tag an als Deutsche gelten. Sie bekommen mit
ihrer Zuwanderung die deutsche Staatsbürger­
schaft mit allen Rechten und Pflichten. Bei den
Türken, die nach Deutschland kommen oder
schon seit Generationen hier leben, läuft das
völlig anders. Jahrzehnte lang gab es viele Auf­
lagen. Etwa auch die Diskussion um den Famili­
ennachzug in den 80er Jahren. Jetzt wird im Zu­
sammenhang mit den Flüchtlingen wieder dar­
über verhandelt. Erst seit 2014 gibt es die dop­
pelte Staatsbürgerschaft für Türken und Tür­
kischstämmige. Sie kamen einst als sogenannte
Gastarbeiter ins Land, und man muss sich nicht
wundern: Wenn man Menschen über so lange
Zeit nur als Gäste betrachtet, fühlen und verhal­
ten sie sich auch wie Gäste und nicht wie Ein­
heimische.
Keine vernünftige Integration ohne deutschen
Pass?
Sagen wir mal so: Er hilft enorm bei der Integ­
ration. Man sieht die Erfolge in Skandinavien,
wo man als Zuwanderer sofort dieselben poli­
tischen und ökonomischen Rechte erhält wie
Jahren ist die Zahl derer, die einen deutschen
Pass wollten, stetig geschrumpft. Versagen wir,
oder ist die Politik der Türkei nicht ganz unschul-
dig daran?
Es gibt zwei Ansätze, um das zu erklären. Die
negative Interpretation dieser Zahlen fußt auf
der aktuellen Entwicklung in der Türkei. Wer
als Türke hierzulande auch einen deutschen
Pass besitzt, muss mit Ressentiments rechnen,
wenn er in die Türkei fährt – und das tun die
meisten Türken nun mal regelmäßig, weil ein
Großteil der Familie immer noch dort lebt.
Eine doppelte Staatsbürgerschaft kommt bei
Erdogan & Co zurzeit nicht so gut an. Das
könnte vielfach der Grund sein, warum man
sich mit der Einbürgerung schwer tut. Die posi­
tive Interpretation: Die Türkei hat sich in den
vergangenen Jahren wirtschaftlich so gut ent­
wickelt, dass es nicht mehr unbedingt nötig
ist, sich für immer auf Deutschland zu verlas­
sen, sondern auch eine eventuelle Rückkehr
nicht auszuschließen ist – zumal man hierzu­
lande immer der Deutsche zweiter Klasse
bleibt.
die Einheimischen. Schweden gilt internatio­
nal als Vorbild für Migrationspolitik. Hier dür­
fen Neuankömmlinge schon während des Asyl­
verfahrens einen Sprachkurs machen und auch
arbeiten. Nach Anerkennung als Flüchtling
starten die Zuwanderer ein Einführungspro­
gramm, das zwei Jahre dauert und dazu dient,
sie möglichst schnell in den Arbeitsmarkt zu
integrieren. In Deutschland und auch der
Schweiz verfolgt man einen anderen Kurs:
Zeig´ erst mal, dass Du wirtschaftlich erfolg­
reich bist, dann wirst Du eventuell mit einem
deutschen Pass belohnt. Dieser deutsche Pass
ist übrigens »Gold« wert. Er ist der Türöffner
für Mobilität und gilt als der wertvollste der
Welt, weil man damit fast überall hinreisen
kann – meist ohne Visum. Das braucht man
nur, wenn man länger bleiben will.
Und dennoch erscheint das Dokument nicht
mehr für alle so erstrebenswert zu sein. 2003 ha-
ben sich mehr als 56.000 Türken hierzulande ein-
bürgern lassen. 2016 waren es gerade einmal
16.000 Menschen. Vor allem in den vergangenen
© Jochen Tack / Alamy Stock Photo
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