German Council Magazin 05.2017 - page 18

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GCM 5/2017
GERMAN COUNCIL . Integration
Die Integration muslimischer Einwanderer in
Deutschland macht deutliche Fortschritte. Spä­
testens seit der zweiten Generation sind sie
mehrheitlich in der Mitte unserer Gesellschaft
angekommen. Das zeigt der Religionsmonitor
2017 der Bertelsmann Stiftung, der Sprachkom­
petenz, Bildung, Teilhabe am Arbeitsleben und
interreligiöse Kontakte von Muslimen in West­
europa untersucht hat. Eine andere aktuelle Stu­
die kommt zu dem Schluss: Muslime in Europa
sehen die Europäische Union (EU) positiver als
alle anderen Bevölkerungsgruppen in Europa.
Die Untersuchung des Exzellenzclusters »Religi­
on und Politik« der Universität Münster belegt,
dass von allen untersuchten Gruppen aus 16 eu­
ropäischen Ländern Muslime die einzigen sind,
die ihr Vertrauen in das Europäische Parlament
auf einer Skala von 1 bis 10 mit mehr als 5 ange­
ders erfolgreich verläuft die Integration der hier
lebenden Muslime in den Arbeitsmarkt, haben
die Wissenschaftler herausgefunden. Inzwi­
schen unterscheide sich die Erwerbsbeteiligung
von Muslimen nicht mehr vom Bundesdurch­
schnitt der deutschen Erwerbsbevölkerung:
Rund 60 Prozent arbeiten in Vollzeit, 20 Prozent
in Teilzeit, und die Arbeitslosenquote gleicht
sich ebenfalls an. Einwanderer profitierten maß­
geblich vom hohen Arbeitskräftebedarf. Aber
auch die Öffnung des Arbeitsmarktes durch
schnellere Arbeitsgenehmigungen, kommunale
Initiativen zur Job-Vermittlung und Sprachkurse
mache sich positiv bemerkbar.
Fr die meisten ist Deutsch
die Erstsprache
Weitere Ergebnisse der Bertelsmann-Studie:
Mit Deutsch als erster Sprache wachsen 73 Pro­
zent der in Deutschland geborenen Kinder von
muslimischen Einwanderern auf. Ihr Anteil
steigt von Generation zu Generation. Das gilt
auch für das Niveau der Schulabschlüsse. Die
Angleichung an die durchschnittliche Schulab­
schlussquote aller Schüler verläuft in Deutsch­
land allerdings langsamer als etwa in Frank­
reich. Dort verlassen nur elf Prozent der Musli­
me vor Vollendung des 17. Lebensjahrs die
Schule. In Deutschland gilt das für 36 Prozent.
Einen Grund für den Unterschied sehen die
Wissenschaftler im Schulsystem: In Frankreich
lernen die Kinder länger gemeinsam und kön­
nen so Startnachteile besser ausgleichen. Trotz
höherer Schulabschlüsse sind in Frankreich
Muslime im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
allerdings überdurchschnittlich oft arbeitslos
und arbeiten seltener in Vollzeit. »Der interna­
tionale Vergleich zeigt, dass nicht Religionszu­
gehörigkeit über die Erfolgschancen von Inte­
gration entscheidet, sondern staatliche, wirt­
schaftliche und gesellschaftliche Rahmenbe­
dingungen«, sagt Stephan Vopel, Experte für
gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertels­
mann Stiftung.
Muslime sehen Europäische Union
positiver als Europäer
Die muslimische Bevölkerung in Westeuropa wächst. Allein hierzulande leben fast fünf Millionen
Menschen dieses Glaubens. Trotz gesellschaftlicher Spannungen sind die meisten von ihnen viel
besser integriert als die Öffentlichkeit wahrnimmt. Außerdem sind sie ihren Aufnahmeländern
gegenüber dankbar und vertrauen auf deren demokratische Strukturen. Selbst die Institutionen
der Europäischen Union sehen sie positiver als die Europäer selbst
ben. Derzeit wird viel über mangelnde Akzep­
tanz der EU in weiten Bevölkerungskreisen dis­
kutiert – die muslimisch geprägten Einwanderer
der ersten und zweiten Generation gehören da­
bei mehrheitlich nicht zu den Kritikern.
Beide Untersuchungen zeigen, dass Wahrneh­
mung und Realität durchaus auseinander klaf­
fen können. Und wissenschaftliche Begleitung
gesellschaftlicher Entwicklungen unerlässlich
ist, will man beurteilen, wie weit die Integration
von Menschen anderer Kultur und Religion hier­
zulande fortgeschritten ist.
Die Forscher der Bertelsmann-Stiftung sehen
Deutschland bislang auf gutem Weg, wenn
auch die Integrationserfolge von Teilen der Ge­
sellschaft zu wenig anerkannt würden. Beson­
© Grecaud Paul – Fotolia.com
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