German Council Magazin 05.2017 - page 12

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GCM 5/2017
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GERMAN COUNCIL . Integration
Sie haben selbst reichlich Erfahrung im Erler-
nen von Fremdsprachen. Wie viele Sprachen
beherrschen Sie?
Es gibt nur zwei Sprachen, die ich wirklich be­
herrsche: Deutsch und Schwäbisch. Auf Italie­
nisch kann ich einigermaßen über Fußball re­
den; auf Englisch, Französisch und Schwedisch
kann ich mich verständigen. Und slawische
Sprachen habe ich einst studiert. Ein paar ande­
re Sprachen kann ich lesen. Gemeinsam mit
meiner Familie war ich drei Jahre in Kairo, wo
wir feststellten, dass Arabisch eine ausgespro­
chen schwierige Sprache für Deutsche ist – so
wie das Deutsche für Araber.
Haben Sie dennoch Arabisch gelernt? Drei
Jahre sind eine lange Zeit …
Wir sind Analphabeten geblieben, weil wir
Ägyptisch statt Arabisch gelernt haben. Ägyp­
tisch wird nicht geschrieben. Das auf der Straße
gesprochene Ägyptisch unterscheidet sich ekla­
tant vom Hocharabischen. Lesen und Schreiben
zu lernen ist für Kinder in diesem Sprachraum
schwierig. Hocharabisch ist für sie fast wie eine
Fremdsprache.
Das Gespräch führte
Susanne Osadnik,
Chefredaktion German Council Magazin
Der gebürtige Schwabe
Prof. Dr. Helmut Glück
studierte Slavistik und Germanistik in Tübingen
und Bochum. Nach Promotion und Habilitation
folgten zahlreiche Lehr- und Forschungsaufträ­
ge im Ausland – darunter in Kanada, Georgien,
Frankreich, Dänemark, Spanien, Tschechien, Ma­
rokko und Ägypten. Seit 1991 ist er Professor für
Deutsche Sprachwissenschaft und Deutsch als
Fremdsprache an der Universität Bamberg. Er
war Mitglied des Beirats der Deutschen Gesell­
schaft für Sprachwissenschaft, des Beirats
Deutsch als Fremdsprache beim Goethe-Institut
und des Redaktionsbeirats der Zeitschrift
»Fremdsprache Deutsch«. Glück gründete im
Jahr 2000 in Bamberg die »Arbeitsstelle zur Ge­
schichte des Deutschen als Fremdsprache«.
städte und Dörfer mit hohem Ausländeranteil –
beispielsweise im Großraum Stuttgart, wo sich
Migranten im Umfeld von großen Industriebe­
trieben auch auf dem Lande angesiedelt ha­
ben. Der Grünen-Politiker CemÖzdemir stammt
aus so einer Kleinstadt.
Sprache und Bildung sind der Schlüssel zur In-
tegration, hat die Kultusministerkonferenz
(KMK) kürzlich festgehalten. Aber nur in Ber-
lin und dem Saarland dürfen Flüchtlingskin-
der sofort nach ihrer Ankunft zur Schule ge-
hen. In Bayern dürfen Kinder erst nach drei
Monaten mit dem Lernen beginnen. Sollte
Spracherziehung grundsätzlich einheitlich ge-
regelt sein?
Der Bildungsföderalismus führt dazu, dass je­
des Bundesland selbst entscheiden kann, wie
es in dieser Frage vorgeht. Das macht es si­
cher nicht einfacher. Grundsätzlich muss man
sich aber die Qualität der Maßnahmen anse­
hen – und weniger die Quantität. Es mangelt
überall an geeigneten Lehrern; und diejeni­
gen, die es gibt, sind meist völlig überfordert.
Sie fühlen sich oft allein gelassen. Wir brau­
chen dringend vorbereitende Übergangsklas­
sen für Flüchtlingskinder, damit sie ein
sprachliches Niveau erreichen, das zulässt, sie
in den regulären Unterricht zu integrieren.
Sie einfach in die nächstbeste Regelklasse zu
setzen und dem Lehrer zu überlassen, wie er
damit zurechtkommt, ist wenig zielführend.
© KatarzynaBialasiewicz – istockphoto.com
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