German Council Magazin 05.2017 - page 53

GCM 5/2017

GERMAN COUNCIL . Handel
© tiero – istockphoto.com
ter zu verbessern.« Die größte Herausforderung
dabei sei die logistische Verzahnung des B2C-
Business (e-Logistik) mit dem B2B-Business (Wa­
rendistribution für die einzelnen Filialen). Dafür
müssten die teilweise noch bestehenden Gren­
zen zwischen den Bereichen aufgehoben wer­
den. So soll beispielsweise ein direkter Zugriff auf
die B2B-Bestände ermöglicht werden, etwa wenn
ein Artikel im e-Shop besser verkauft wird als in
den Filialen. Auch beim Kundenservice will das
Handelshaus an Tempo zulegen und Bestellauf­
träge aus dem Online-Shop direkt in den Filialen
»picken« und innerhalb
von ein bis zwei Stunden
via Same-Day-Delivery-Ku­
rier direkt zum Kunden
nach Hause zu liefern.
Oder dorthin, wo sich
der Kunde gerade auf­
hält. Der Mobilfunkprovi­
der BASE macht es mög­
lich. Er hat eine Anwen­
dung entwickelt, die dem
Smartphone des Nutzers
eine Adresse zuweist. Die bestellten Produkte
können dann direkt zum aktuellen Standort
des Kunden geliefert werden – dank digitaler
Transformation.
Krzere Lieferzeiten, grsseres
Angebot
Neben der Logistik gewinnt somit auch das
gesamte IT-Umfeld der Multi-Channel-Händler
an Komplexität. Enorme Datenmengen müs­
sen verarbeitet, Prozessketten verbessert wer­
den. Das Unternehmen e-fulfillment Transac­
tion Services hat dafür eine Lösung in Form
einer Software-as-a-Service-Plattform geschaf­
fen, die sämtliche Prozesse abbildet und steu­
ert. Bei der Ludwig Görtz Gmbh, die mit e-ful­
fillment zusammenarbeitet, werden bereits
alle vertriebsrelevanten Daten wie Artikel,
Preise, Bestände und Aufträge in einem zent­
ralen System verwaltet. Vorher nutzte der
Schuhhändler einen externen Full-Service-An­
bieter für den Online-Shop und die Logistik
der Online-Bestellungen. Jetzt wird der On­
line-Handel in die eigene Infrastruktur inte­
griert und der Warenbestand des Online-Han­
dels und der Filialgeschäfte in einem Logistik­
zentrum zusammengelegt. Der Vorteil: Kürzere
Lieferzeiten, größere Angebotspaletten und
deutlich höhere Warenverfügbarkeit. Das Ser­
vice-Portfolio hat man ebenfalls erweitert,
bietet nun beispielsweise auch die Retouren­
annahme im Ladengeschäft sowie die Services
Click & Collect und Check & Reserve an.
Letzte Meile per Roboter
Dieser letzte Schritt, die Warenanlieferung
beim Kunden, gewinnt im Bereich fulfillment
zunehmend an Bedeutung. Eine Zukunftsvisi­
on, die vor vier Jahren noch belächelt wurde,
beschäftigt heute alle großen Logistikunter­
nehmen: Die Zustellung per Drohne, die der
Online-Gigant Amazon 2013 erstmals ins Spiel
brachte. Mittlerweile plant Amazon ein Zeppe­
lin-ähnliches Luftschiff, das in 14.000 Metern
Höhe parken soll, um von dort Pakete per Droh­
nen auszuliefern. In Deutschland ist der Einsatz
von Drohnen allerdings fraglich. Die Gesetze
dazu sind streng, die Sicherheitsrisiken hoch.
Als wesentlich wahrscheinlicher schätzen Ex­
perten daher den Einsatz von bodengestützten
Lieferrobotern ein. So heißt es in der dritten ZF-
Zukunftsstudie zum Thema »Letzte Meile«, die
das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Lo­
gistik herausgegeben hat, »die Auslieferungs­
drohne wird eher ein Nischendasein führen,
aber fahrende Zustellroboter gehören in weni­
gen Jahren sowohl in Metropolen als auch in
ländlichen Regionen zum Alltag.«
Ein Beitrag von
Kristin Kasten,
freie Journalistin
und
Torben Dietrich,
freier Journalist,
GCSC-Journalisten-Nachwuchs-
Preis-Gewinner 2017
Die Sneaker- und Streetwear-Händler Andrian
Bonev und David Moledo Pais aus Hannover
sind diesen Weg mit ihrem Geschäft Fussstolz
ebenfalls gegangen – und wagten sich sogar
noch einen Schritt weiter. Neben Click-&-Coll­
ect bieten sie auch Auslieferungen innerhalb
des Stadtgebiets an – per Fahrradkurier in
maximal 90 Minuten. Eine Idee, die sie aus
den USA übernommen haben. Für die schnel­
le Verarbeitung von Aufträgen nutzen sie das
Shopsystem von VersaCommerce, das den sta­
tionären und den Online-Warenbestand per­
manent synchronisiert
und auf automatisierte
Lösungen aus der Cloud
zurückgreift. Von der
Plattform aus können
sie ihre Ware problem­
los mithilfe der ver­
schiedenen Kanäle ver­
teilen, sei es über Ama­
zon, den Online-Shop
oder das Ladengeschäft.
Ein Lager genügt. »Alle
Umsätze durchlaufen
eine Kasse, zusätzlich sind das Warenwirtschafts­
system und die Finanzbuchhaltung durch Schnitt­
stellen angebunden«, sagt Andrian Bonev.
»Stornierungen, Überweisungen, Zahlungs­
eingänge und -ausgänge werden über eine
einzelne Plattform in Echtzeit abgewickelt.«
Die Daten können sie auf ihrem iPad, PC oder
Smartphone abrufen. »Diese Art von e-fulfill­
ment gibt es in anderen Ländern wie den USA
oder England schon länger.« Beide Länder be­
setzen Spitzenplätze im internationalen Ver­
gleich und zeichnen sich durch besonders in­
novationsfreudige Händler aus.
So etwa Nordstrom Local in West Hollywood.
Kleiderstangen und Regale mit Verkaufswaren
sucht man in dem Modegeschäft vergeblich.
Auf 280 Quadratmetern werden die Kunden
ausschließlich mithilfe einer App beraten. Die
Mitarbeiter sind Suchmaschine, Filter und Ver­
käufer in einem. Doch statt eines begrenzten
Sortiments kann der Kunde hier auf das gesam­
te Sortiment der US-Kette Nordstorm zugreifen.
Das gewünschte Outfit lassen die Mitarbeiter
dann von einer der zehn Filialen im Umkreis
noch am gleichen Tag in den Store liefern. Bei
Dawsons, einem britischen Einzelhändler für
Musikinstrumente, können die Kunden über
den Online-Shop das Ladengeschäft vor Ort be­
suchen. Per Smart Glasses führen Mitarbeiter
die Online-Kunden live durch das Sortiment. So
erhalten sie eine persönliche Beratung, können
die Produkte aber bequem online bestellen und
sich liefern lassen.
›Bei der Ludwig Görtz
Gmbh werden bereits alle
vertriebsrelevanten Daten
wie Artikel, Preise, Bestände
und Aufträge in einem
zentralen System verwaltet.‹
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