German Council Magazin 05.2017 - page 61

GCM 5/2017
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GERMAN COUNCIL . Handel
Teil ihres Berufs. Nicht mehr und nicht
weniger trifft auf Menschen im Einzelhan­
del zu. Und mal ehrlich: Die 24-Stunden-
Tankstelle läuft auch nicht automatisch.
Da sitzt auch jemand, der sicher lieber zu­
hause wäre.
 Steffen:
Natürlich wäre es phantastisch,
wenn grundsätzlich sonntags niemand
arbeiten müsste. Das Gebot der Feiertags­
ruhe, und dazu gehört der Sonntag nun
einmal, hat in der Menschheitsgeschichte
durchaus seine Berechtigung bewiesen.
Aber das ist nun mal nicht möglich, weil
bestimmte Berufe rund um die Uhr ge­
fragt sind. Das betrifft die gesamte medi­
zinische und pflegerische Versorgung,
die Infrastruktur in Form von Bussen und
Bahnen, Schichtdienste in Rund-um-die
Uhr-Industrien wie beispielsweise der
Chemie. Man muss tatsächlich eine rote
Linie ziehen. Wenn ich an Heiligabend
keine Butter mehr habe, geht davon die
Welt nicht unter. Dann hilft sicher der
Nachbar aus. Doch wenn ich keinen Ret­
tungswagen finde, weil alle Fahrer frei
haben, geht das natürlich nicht.
 Susanne:
Das ist ganz klar eine Abwä­
gungsfrage. Aber wenn die Gewerkschaf­
ten dazu aufrufen, den Heiligabend – und
am liebsten jeden Sonntag – als verkaufs­
offenen Tag zu boykottieren, hört sich das
mehr nach Imagepflege an, die auch in
hof angesiedelt ist, sein? Einerseits wird ge­
jammert, dass die Innenstädte wie ausge­
storben sind und auch die Geschäfte immer
mehr Laufkundschaft an den Online-Handel
verlieren; andererseits werden die bei der
Bevölkerung beliebten verkaufsoffenen
Sonntage boykottiert.
 Steffen:
Gehst Du denn eigentlich sonntags
einkaufen?
 Susanne:
Nein, nie. Nicht mal zum Bäcker.
Ich besitze das Privileg, alles unter der Wo­
che erledigen zu können, weil ich mir mei­
ne Arbeitszeit komplett selbst einteilen
kann. Es geht auch gar nicht um mich per­
sönlich, sondern um die grundsätzliche
Möglichkeit, auch sonntags einkaufen zu
können. Und auch eben am Heiligabend,
wenn ich etwa bis zum 23. Dezember nach­
mittags arbeiten muss.
 Steffen:
Leben und leben lassen, kann ich
da nur sagen. Ich wünsche Dir auf jeden Fall
ein frohes Fest. Und nimm die Kirche nicht
zu sehr ins Visier. Es ist ein bemerkenswer­
ter Umstand, dass Polen und Portugal mit
die katholischsten Länder in Europa sind –
gleichzeitig gehören sie zu den Ländern mit
den liberalsten Ladenöffnungszeiten.
Ein Beitrag von
Steffen Uttich,
Leiter Fonds­
management,
BEOS AG
und
Susanne Osadnick,
Chefredaktion
GC Magazin
©mikkelwilliam – istockphoto.com
reine Schikane münden kann. Das hat in
jüngster Zeit ja mehr als ein Unternehmen zu
spüren bekommen.
 Steffen:
Du meinst die abgesagten verkaufs­
offenen Sonntage auf den letzten Drücker.
Das ist tatsächlich ärgerlich für die betroffe­
nen Unternehmen. Hier geht es um Rechtssi­
cherheit – und das ist auch ein hohes zivilisa­
torisches Gut…
 Susanne:
Dodenhof hat angekündigt, im
kommenden Jahr keinen einzigen verkaufsof­
fenen Sonntag mehr zu beantragen, weil sie
viel Geld in Werbung und Vorbereitung inves­
tieren und Verdi dann kurz vor dem Termin so
viel Druck macht, dass alles abgesagt werden
muss. Und das, obwohl die Mitarbeiter einen
hundertprozentigen Aufschlag bekommen
hätten und dahinter gestanden haben – auch
der Betriebsrat.
 Steffen:
Es ist schon richtig, dass man das
künftig anders regeln und vor allem mehr
Rechtssicherheit für die Unternehmen schaf­
fen muss. Der Einzelhandel kämpft schon für
verkaufsoffene Sonntage, die unabhängig
von begleitenden Ereignissen wie Stadtfesten
oder Adventsmärkten stattfinden können.
 Susanne:
Das mit den begleitenden Festen ist
ohnehin Quatsch. Welches Fest sollte das
denn beispielsweise in einem kleinen Ort wie
im niedersächsischen Posthausen, wo Doden­
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