German Council Magazin 05.2017 - page 81

GCM 5/2017
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GERMAN COUNCIL . Recht und gesetz
ergänzt, wann schädliche Auswirkungen auf ei­
nen zentralen Versorgungsbereich im Sinne von
§ 34 Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB) zu erwarten
sind. Nach dieser Vorschrift ist ein Vorhaben im
Innenbereich, für den kein Bebauungsplan gilt,
unzulässig, wenn es schädliche Auswirkungen
auf zentrale Versorgungsbereiche in der Ge­
meinde oder in anderen Gemeinden erwarten
lässt.
Zunächst bestätigte das Bundesverwaltungsge­
richt nochmals seine bisherige Definition der
schädlichen Auswirkungen. Danach sind diese
zunächst dann anzunehmen, wenn zentrale Ver­
sorgungsbereiche ihren Versorgungsauftrag ge­
nerell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht
mehr in substantieller Weise wahrnehmen
könnten. Eine Beeinträchtigung liegt zudem
auch dann vor, wenn (vor-)geschädigte Versor­
gungsbereiche durch die Zulassung weiterer, bei
gesonderter Betrachtung jeweils unschädlicher
Vorhaben einen vollständigen Verlust ihrer Ver­
sorgungsfunktion erleiden könnten.
Ergänzend zu dieser bisherigen Definition der
schädlichen Auswirkungen führt das Gericht so­
dann aus, dass auch dann, wenn kein vollständi­
ger Funktionsverlust drohe, ein Vorhaben unzu­
lässig sein kann. Dies sei dann der Fall, wenn ein
schon vorgeschädigter zentraler Versorgungs­
bereich weiter geschädigt würde bzw. seine »Er­
holung« erschwert oder unmöglich gemacht
werde. Der rechtliche Ansatz, dass eine Intensi­
vierung einer bereits gegenwärtigen Gefähr­
dung als zur Unzulässigkeit des Vorhabens füh­
rende schädliche Auswirkung zu würdigen ist,
läge schon einer seiner früheren Entscheidun­
gen zugrunde (Urteil vom 12.2.2009, Az. 4 B
3.09): Dort führte das Bundesverwaltungsge­
richt aus, dass ein vorhandener Betrieb – gege­
benenfalls im Zusammenwirken mit weiteren
Einzelhandelsbetrieben an einem nicht integ­
rierten Standort – bereits gegenwärtig die Funk­
tionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbe­
reichs gefährden könne. In einem solchen Fall
könnten auch Erweiterungen eines solchen Be­
standsbetriebs, die lediglich das vorhandene
Sortiment auf größerer Fläche präsentieren sol­
len, zu schädlichen Auswirkungen führen.
Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsge­
richts legt nahe, insbesondere bei Verträglich­
keitsgutachten zum Nachweis des Umstandes,
dass ein Neuvorhaben keine schädlichen Aus­
wirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche
erwarten lässt, auf die vorstehenden Kriterien
sorgfältig einzugehen. Dies betrifft insbesonde­
re die Untersuchung, ob ein zu prüfender zent­
raler Versorgungsbereich eine Vorschädigung
aufweist und wenn ja, dass das Neubauvorha­
ben dessen »Erholung« nicht erschwert oder
unmöglich macht und dass der neue Betrieb
eine bereits bestehende Schädigung nicht ver­
stärkt.
Mit Beschluss vom 25.10.2016 (3 B 2377/16) hat
der Verwaltungsgerichtshof Kassel Ausführun­
gen dazu getätigt, wann sich ein Einzelhandels­
betrieb gegen einen neu hinzugetretenen Kon­
kurrenzbetrieb in unmittelbarer Nachbarschaft
bauplanungsrechtlich zur Wehr setzen kann –
und zwar im Hinblick auf das durch den neuen
Betrieb hervorgerufene zusätzliche Verkehrs­
aufkommen auf den umliegenden öffentlichen
Straßen. Dies sei etwa dann der Fall, wenn die
Erreichbarkeit oder die Benutzbarkeit des
Grundstücks durch den hervorgerufenen An­
stieg des Straßenverkehrs unzumutbar beein­
trächtigt wird.
Diese Entscheidung kann im Einzelfall von be­
sonderer Bedeutung für bestehende großflächi­
ge Einzelhandelsbetriebe sein, in deren Nach­
barschaft sich ein weiterer solcher Betrieb an­
siedeln will. Solche Neuansiedlungen entstehen
nicht selten in verkehrlich verdichteten Gebie­
ten, so dass der Bestandsbetrieb durch die Ver­
kehre, die ein großflächiger Neubetrieb auslöst,
im Hinblick auf seine verkehrliche Erschließung
nennenswert beeinträchtigt werden kann.
Bestehende Einzelhandelsbetriebe könnten da­
her bei entsprechenden Anhaltspunkten, etwa
wenn schon aktuell Probleme hinsichtlich der
Grundstückserreichbarkeit wegen des hohen
Verkehrsaufkommens bestehen, eine fachgut­
achterliche Untersuchung in Auftrag geben, ob
die Erreichbarkeit und/oder Benutzbarkeit ihres
Grundstücks durch den hervorgerufenen An­
stieg des Straßenverkehrs unzumutbar beein­
trächtigt wird.
In dem entschiedenen Fall verneinte der Ver­
waltungsgerichtshof jedoch eine solche Beein­
trächtigung: Gemessen an den Feststellungen
eines verfahrensgegenständlichen Fachgutach­
tens, welche nicht substantiiert in Frage gestellt
worden seien, hätte nicht angenommen wer­
den können, dass die Erreichbarkeit und/oder
die Benutzbarkeit der Grundstücke des beste­
henden Einzelhandelsbetriebs durch das ange­
fochtene Vorhaben unzumutbar beeinträchtigt
werden.
Die in diesem Beitrag dargestellten Entschei­
dungen zeigen damit einmal mehr, dass sich die
Rechtsprechung bzgl. der bauplanungsrechtli­
chen Zulässigkeit von (großflächigen) Einzel­
handelsvorhaben stets fortentwickelt und auch
in Zukunft Entscheidungen zu erwarten sein
werden, die von Bedeutung für die Planung
bzw. Abwehr von (großflächigen) Einzelhan­
delsvorhaben sein werden.
Ein Gastbeitrag von
Dr. Johannes
Grooterhorst,
Eversheds Sutherland
(Germany) LLP,
Düsseldorf,
- Beiratsmitglied
Dr. Johannes Grooterhorst ist Mitglied im GCSC-
Expertenkommitee »Politische Arbeit«.
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