Page 6 - German Council Magazin 04.2021
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GERMAN COUNCIL . KONSUM
»Innenstädte sind mehr dung«. Für einen Entschluss, aktiv auf
eine Situation zu reagieren, um sie zum
als Orte des Konsums« Besseren zu wandeln.
Die Pandemie ist eine klassische Krise im
besten Sinn des Wortes krisis. Ein Ereignis,
Die Pandemie hat unser Kaufverhalten verändert. Wir konsumieren das die Welt massiv verändert – und Men-
anders und auch woanders. Der stationäre Handel hat darauf reagiert schen zu Höchstleistungen treibt, um einer
und die Digitalisierung massiv vorangetrieben. Im Internet und auf neuen Gefahr zu begegnen. Forscher von
den Kanälen der Sozialen Medien sind Händler inzwischen vertreten. Pharmaunternehmen haben in Rekordzeit
Doch das ist nur der erste Schritt in eine Zukunft, in der sich auch Impfstoffe gegen das Sars-CoV-2-Virus
entwickelt. Ingenieure haben neue Luftrei-
unsere Innenstädte maßgeblich verändern werden niger konstruiert, die effektiv Viren aus der
Raumluft von Klassenzimmern und Res-
taurants filtern können. Flugzeuge wurden
»Selten bedenken wir, was wir besitzen, in der Pandemie digital aufgerüstet. Das binnen Monaten so umgerüstet, dass die
aber stets, was uns fehlt.« Mit diesem Satz zeigt eine repräsentative Umfrage unter Luft in den Kabinen innerhalb von Sekun-
in seinem Nachlass hat der Kaufmann und mehr als 500 Unternehmen durch den den komplett ausgetauscht wird.
Philosoph Arthur Schopenhauer 1860 in Bundesverband der deutschen Informati-
Frankfurt am Main eine Triebfeder des onstechnologie- und Telekommunikati- Einzelhändler, die zuvor nicht im Internet
Menschen beschrieben: den Drang zum onsbranche, Bitkom. oder in Sozialen Medien präsent waren,
Konsum. Wer arbeitet, will sich dafür mussten für diesen Schritt viel Geld in die
auch etwas leisten können – selbst dann, »krisis« bedeutet »Entscheidung« Hand nehmen. Dennoch sehen 75 Prozent
wenn eine Pandemie herrscht und die von ihnen, das zeigt die Bitkom-Umfrage,
Pforten der Geschäfte durch einen Lock- 72 Prozent der Einzelhändler sind danach die Digitalisierung als neue Chance für ihr
down geschlossen sind. heutzutage auf Social-Media-Plattformen Unternehmen – obwohl sie nun gezwun-
wie Facebook oder Instagram aktiv. 2019, gen sind, kontinuierlich weiteres Kapital
Aufgabe von Geschäftsinhabern ist es in im Jahr vor der Pandemie, waren es nur aufzubringen, um die neu geschlagenen
einem solchen Fall, allen Widrigkeiten 28 Prozent. Mit 34 Prozent investiert Pfade zu ihren Kunden zu pflegen. »Digi-
zum Trotz die Wünsche ihrer Kunden zu mehr als ein Drittel in Anzeigen im Inter- talisierung hat einen Anfang, aber letztlich
erfüllen. Und Deutschlands Einzelhändler net. Und acht Prozent der befragten Un- kein festes Ende«, sagt Bitkom-Chef Berg.
haben in den vergangenen 22 Corona- ternehmen kooperieren mit Influencern, »Digitalisierung ist ein dauerhafter Pro-
Monaten geliefert. Sie sind jetzt in sozialen damit diese auf die Produkte ihrer Spon- zess und verlangt entsprechend dauerhafte
Medien präsent. Sie verkaufen ihre Waren soren aufmerksam machen. Vor zwei Jah- Investitionen.«
über Online-Plattformen oder eigene In- ren waren es weniger als ein Prozent.
ternetseiten. Sie bieten ihren Kunden kon- »Corona war für einen großen Teil der Pandemien haben Städte schon
taktloses Bezahlen per Smartphone im Ge- Handelsfirmen ein Weckruf«, sagt Bit- immer verändert
schäft: Deutschlands Einzelhändler haben kom-Präsident Achim Berg. Um während
der Lockdowns weiterhin Kontakt mit ih- Was die Umfrage des Branchenverbands
ren Kunden zu halten und Waren verkau- auch zeigt: Trotz der Konkurrenz durch
reine E-Commerceanbieter und der finan-
fen zu können, hätten sich viele stationäre
© Johann Schäfer / Artistosteles – commons.wikimedia.org gemacht: »Eine gute Online-Präsenz bietet nehmen die Existenz der Ladengeschäfte
ziellen Mehrbelastung durch die Pande-
Anbieter im Internet ein zweites Standbein
mie sieht ein Großteil der Handelsunter-
aufgebaut. Die Pandemie habe deutlich
nicht bedroht. Nur zwei Prozent der Be-
für Einzelhändler kein kleines Zubrot – sie
ist ein Pflichtprogramm«, sagt Berg.
fragten sind der Auffassung, dass der stati-
onäre Handel keine Zukunft habe. Es ist
Krisen haben durch die Äonen hinweg
eine Schlussfolgerung, die auch der Bun-
desverband der Informationstechnologie-
immer gravierende Neuerungen hervor-
gebracht. Nach dem ersten Schock ha-
und Telekommunikationsbranche teilt.
ben Menschen immer schnell Anpassun-
gen vorgenommen, um im veränderten
sums«, sagt Berg. »Sie sind ein Raum, in
dem Menschen zusammenkommen, wo
Umfeld weiter bestehen zu können. Der
griechische Begriff krisis, abgeleitet vom »Innenstädte sind mehr als Orte des Kon-
öffentliches Leben stattfindet – und dazu
Arthur Schopenhauer: »Selten bedenken wir, was wir Verbum krínein, bedeutet nicht Katas- gehört auch in Zukunft zwingend der
besitzen, aber stets, was uns fehlt.« trophe. Vielmehr steht es für »Entschei- Handel.«
4 Shopping Places* Magazine 4 / 2021