Page 14 - German Council Magazin 03.2021
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GERMAN COUNCIL . MENSCHEN
duale Studiengänge an, heißt es vom Die Vereinigten Staaten müssen damit tung spezialisiert hat, konnte feststellen,
Handelsverband HDE. Dessen Hauptge- rechnen, dass ihnen bis 2030 aufgrund dass es in den vergangenen Monaten
schäftsführer Stefan Genth weiß indes des Fachkräftemangels in diesem Sektor mehr als 35 Prozent mehr Anfragen von
auch, dass es massiv an Bewerbern man- 162,25 Milliarden Dollar entgehen. skandinavischen und deutschen Unter-
gelt, die diese Stellen besetzen könnten: China könnten aufgrund desselben Pro- nehmen gab, die in Litauen und Lettland
»Jungen Menschen muss die Attraktivi- blems bis 2030 Einnahmen in Höhe von IT-Spezialisten suchten. »Unternehmen
tät der dualen Berufsausbildung deutlich 44,45 Milliarden US-Dollar entgehen. kommen zu uns, weil sie in ihren eige-
kommuniziert werden. Im Einzelhandel Bis 2030 wird Großbritannien aufgrund nen Ländern keine Fachkräfte finden,
haben mehr als 80 Prozent der Füh- des Fachkräftemangels fast 9 Prozent die ihren Anforderungen entsprechen,
rungskräfte ihre Karriere mit einer Aus- des potenziellen Umsatzes des TMT- und weil ähnlich qualifizierte Fachkräfte
bildung begonnen. Die Chancen auf ei- Sektors (Technologie, Medien und Tele- dort höhere Gehälter verlangen«, so
nen Ausbildungsplatz und eine gute be- kommunikation) nicht realisieren kön- Blažaitien.
rufliche Laufbahn stehen sehr gut.« Der nen, wie eine Untersuchung des Korn
HDE fordert den Ausbau von digitalen Ferry Institute ergab. Hausgemachte Probleme am Bau
Berufsorientierungsangeboten ebenso
wie eine verlässliche Berufsorientierung Selbst die skandinavischen Länder, die Wo das Baugewerbe demnächst seine
an allen allgemeinbildenden Schulen aufgrund der wachsenden Zahl erfolgrei- Arbeitskräfte finden wird, ist mehr als
und bei den Arbeitsagenturen. cher Tech-Start-ups in den vergangenen fraglich. Dem Bau in Deutschland droht
Jahren zu den Marktführern gehören, se- ein »Burnout«. Davor warnt die Indus-
hen sich mit Mangel an IT-Talenten kon- triegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
(IG BAU). Allein der Wohnungsbau mit
frontiert. Laut Swedish IT&Telecom In-
© Robert Kneschke – stock.adobe.com voraussichtlich 70.000 unbesetzte Stellen rechter Sanierung sei ein Mammutpro-
dustries wird es in Schweden bis 2024
Neubau, Umbau, klima- und seniorenge-
gramm für die Firmen, das mit den vor-
im Technologiesektor geben. Und in
Finnland sind einer Studie zufolge 66
handenen, ohnehin voll ausgelasteten
Prozent der offenen Stellen Gesuche für
Kräften kaum zu schaffen sei. »In nahezu
allen Betrieben der Bauwirtschaft gibt es
Software-Entwickler. Mindestens 95 Pro-
zent der finnischen IT-Unternehmen pla-
nen daher, Mitarbeiter aus dem Ausland
öhr für mehr Wohnraum, für besseren
Klimaschutz und sinkende Mieten sind
einzustellen. ein Arbeitskräfte-Vakuum … Das Nadel-
die Fachleute auf dem Bau«, sagt Carsten
Könnten baltische IT-Experten Burckhardt, Bundesvorstandsmitglied der
die Lücke schliessen? Gewerkschaft und dort für die Bauwirt-
schaft und Handwerkspolitik zuständig.
Pekka Nebelung, COO des finnischen
Unternehmens Jobilla, das von »The Sili- Trotz stetig steigender Gewinne hätten
Computerkurs an der Universität con Valley Review« zu einem der 50 es viele Baufirmen in den vergangenen
weltweit führenden Unternehmen erklärt Jahren versäumt, die Arbeit in der Bran-
wurde, sucht im Baltikum nach neuen che attraktiver zu machen. »Das rächt
Dasselbe dürften auch andere Berufs- Mitarbeitern. In Litauen, das eines der sich jetzt«, so Burckhardt. Die Knapp-
zweige einfordern. Denn im Handwerk, am schnellsten wachsenden Ökosysteme heit an Arbeitskräften werde zuneh-
im Baugewerbe, in der Gastronomie – für Tech-Start-ups in der Region hat, mend zum Risiko für den Bau – und da-
und selbst in der IT-Branche sieht es wurden bereits etwa 15 Spezialisten ein- mit auch zu einem erheblichen Problem
nicht gut aus, und zwar weltweit. gestellt. »Die Nachfrage nach IT-Spezia- für die Politik, die sich mit den Woh-
listen aus dem Baltikum steigt ständig. nungsbau- und Klimazielen für Gebäude
Das Korn Ferry Institut in Kalifornien, Deutsche oder skandinavische Unterneh- ein ehrgeiziges Programm vorgenom-
eine Management-Beratung für neue Ta- men sind daran interessiert, Leute aus men habe.
lente mit Milliardenumsätzen, prognos- dem Baltikum einzustellen, denn hier
tiziert, dass es uns weltweit an 4,3 Milli- sind die IT-Standards sehr hoch, sodass Die IG BAU verweist auf aktuelle Zahlen
onen qualifizierten IT-Facharbeitern es möglich ist, sehr qualifizierte Leute des Nürnberger Instituts für Arbeits-
mangeln wird – und zwar bereits bis einzustellen«, sagt Nebelung. markt- und Berufsforschung (IAB). Da-
2030. Fachkräfte werden händeringend nach verzeichnete die Bauwirtschaft im
gesucht, zumal die Digitalisierung wei- Diana Blažaitien, Geschäftsführerin von ersten Quartal dieses Jahres bundesweit
ter fortschreitet und zum Erliegen kom- Soprana Personnel International, einem 191.000 offene Stellen – und damit fast
men dürfte, wenn es kaum noch IT-Mit- Unternehmen, das sich auf Lösungen für vier Mal so viele wie noch im Jahr 2010,
arbeiter gibt. die Personalbeschaffung und -vermie- als 52.000 Baubeschäftigte fehlten. Zum
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