Page 32 - German Council Magazin 02.2014
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        Vom Online-Handel lernen



        Ein Gespräch mit dem Autor und Chefredakteur der TExTILWIRTSCHAFT
        Hagen Seidel













        »Schrei vor Glück«. Zalando kam aus dem Nichts, und heute kennt je-  kleine Service-Updates auf der Seite. Und wenn die nicht funktionie-
        der den Werbespruch des Unternehmens. Der Autor und Journalist Ha-  ren, dann nehmen sie die Änderungen sofort wieder zurück. Was sie
        gen Seidel beschäftigt sich in seinem aktuellen Buch mit dem Internet-  aber nicht machen, sind große Updates, die auf einen Schlag kommen
        Start-up, das in wenigen Jahren zu einem der erfolgreichsten deutschen   und den Nutzer und das eigene System überfordern können. Ein Bei-
        Internet-Versandhändler geworden ist. Im Interview spricht er darüber,   spiel:  Vor  längerer  Zeit  schon  hat  Zalando  die  Vorschaubilder  der
        was der klassische Einzelhandel aus dieser Geschichte lernen kann.   Schuhe ausgetauscht. Die Modelle zeigten danach alle in eine Rich-
                                                                tung, weil dadurch mehr geklickt wurde.

        Zalando hat aus dem Online-Handel einen Hype gemacht: Was kann   Solche kleinen Änderungen funktionieren auch im stationären Einzel-
        der stationäre Handel von diesem Geschäftsmodell lernen?  handel. Der muss dabei aber noch flexibler werden, immer orientiert
        Ich denke, es sind die übergeordneten Themen, die auf den stationä-  am Kundenverhalten vor Ort. Gerade in Filialunternehmen ist es aller-
        ren Handel übertragen werden können. Wenn es um Tempo, Service   dings nicht immer möglich, dass der Leiter des Ladens im Shopping
        und  Kundenorientierung  geht,  dann  kann  der  stationäre  Handel   Center einfach mal sein Sortiment nach lokalen Anforderungen um-
        durchaus etwas von der Online-Konkurrenz lernen. Zalando ist exzel-  räumt, ohne das Okay vom Bezirksleiter oder einem anderen Vorge-
        lent darin, Kundendaten zu erfassen und auszuwerten. Bevor jemand   setzten zu bekommen. Hier den Mittelweg zwischen schnellen, indivi-
        überhaupt etwas gekauft hat, weiß Zalando schon sehr viel über den   duellen Anpassungen auf der einen und dem Festhalten am Gesamt-
        Konsumenten.  Und  Zalando  weiß  daher  auch  sehr  genau,  was  der   konzept der Filialkette auf der anderen Seite zu finden, ist eine der
        Kunde  will.  Das  ist  etwas,  das  sehr  interessant  für  den  stationären   großen Herausforderungen. Zentralistisch gesteuerte Pure Player ha-
        Handel ist.                                             ben es da einfacher.

        Zalando nutzt dieses Wissen auch, um sich ständig an die Vorlieben   Um  Dinge  zu  verändern,  muss  der  Händler  wissen,  was  der  Kunde
        seiner Kunden anzupassen?                               will. Was kann der stationäre Handel hier verbessern?
        Zalando ist sehr experimentierfreudig. Das Unternehmen geht nach   Der stationäre Handel hat auch jede Menge Daten, aber er nutzt sie
        einer Art »Trial and Error«-Prinzip vor. Sie machen ständig jede Menge   nicht so, wie er könnte. Über Kundenkarten erfährt er sehr viel. Die



































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