German Council Magazin 04.2018 - page 51

GCM 4/2018
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GERMAN COUNCIL . VOR ORT
Gunnar Schupelius, Chefredaktion von B.Z. und Bildzeitung in Berlin im
Gespräch mit Christian Haase, dem kommunalpolitischen Sprecher der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender
der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und Generalsekretär
der FDP Berlin, und Dr. Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft,
Uni Regensburg. Der gestandene Journalist Schupelius hatte sichtlich
Mühe, seine politischen Gäste dazu zu bringen, sich bei Fragen von Re-
gulierung und Deregulierung klar zu positionieren. Auch mehrfaches
Nachhaken half da wenig.
Diskussion zum Thema: Online versus stationrer Handel
Gunnar Schupelius: Was kann die Politik für den stationären Handel
besser machen?
 Christian Haase, CDU/CSU
:
Erreichbarkeit ist wichtig, wie kommt der
Mensch zum stationären Einzelhandel? Der Individualverkehr wurde in
den vergangenen Jahren aus der Stadt getrieben. Es gibt viele Fahrver-
bote. Da gibt es einiges zu tun. Auch das Thema Parkhaus ist wichtig:
Wie groß ist es; wie weit entfernt von der Einkaufsmöglichkeit? Wenn
ich drei Tüten trage, werde ich nicht mehr weit laufen. An der Stelle
müssen wir ansetzen.
 Sebastian Czaja, FDP
: Wir brauchen eine bessere Debatte um Ladenöff-
nungszeiten. Da können wir wesentlich mutiger werden und von inter-
nationalen Städten lernen. Und es braucht Verständnis in der Politik für
den Marktplatz Innenstadt, der davon lebt, dass er erreichbar und at-
traktiv ist, weil der Begegnung schafft, ein sozialer Ansatzpunkt ist.
Der Handel zahlt Steuern, belebt die Städte, bildet Nachwuchs aus.
Und der Online-Handel macht sich einen schönen Lenz. Ist doch unge-
recht. Warum bekommt der stationäre Handel nicht dieselben Freihei-
ten wie der Online-Handel?
 Tobias Just
:
Das ist so, weil das eine schon seit 1000 Jahren besteht und
das andere erst seit kurzem. Für den Handel hatten wir 1000 Jahre Zeit, um
Regeln zu entwickeln, für das Online-Geschäft, das es gerade mal 20 Jahre
gibt, überlegen wir und jetzt erstmals, wie wir es reguliert bekommen. Es
sind zwei unterschiedliche Welten, die meines Erachtens aber auch gar
nicht gleichermaßen reguliert werden müssen. Wir werden es auch ohne
Sortimentsbeschränkung nicht erleben, dass ALDI dasselbe Angebot hat wie
der Online-Anbieter. Der Preis- und Sortimentswettbewerb ist für den statio-
nären Handel nicht zu gewinnen. Aber offline lässt sich auf jeden Fall der
Wettbewerb um Emotionen, Sensorik und Interaktion problemlos gewin-
nen. Wir müssen das stärken, was der Handel am besten kann.
Auszüge Grußwort vonMichael Müller,
Regierender Bürgermeister vonBerlin
…Herzlichen Glückwunsch zum 25. Bestehen Ihres German Councils. Da ist schon
sehr viel Kraft und Kompetenz in Ihrer Organisation. Und es ist gut, dass es auch An-
sprechpartner gibt für wichtige Fragen der Stadtentwicklung, die mit Ihrem Engage-
ment verbunden sind…
… Es hat nicht jeder erwartet, dass wir zehn verkaufsoffene Sonntage durchsetzen.
Und natürlich nicht von heute auf morgen, sondern in einer kritischen Debatte mit
Verdi undmit denKirchen. Aberwir haben es hinbekommen…Es begeistert die Ber-
linerinnen und Berliner, es bringt Kaufkraft in die Stadt, und ich vermute, Sie haben
auch nichts dagegen.
…Gestatten Siemir auch einen kritischen Satz. Wir haben 69 Shopping Center in der
Stadt. Das ist eine ganzeMenge. Ich glaube, wir müssen, so wie wir es auch in der Ver-
gangenheit abgestimmt haben, weiter sehr genau hingucken, wo verträgt die Stadt was
und inwelcherGrößenordnung…Ich erlebe, dasswir in einoder zwei Bezirken schon
die Situation haben, dass es eine Kannibalisierung gibt. Ein Bezirk, der mir sehr nahe
steht, hat eine ShoppingMall, die ist so groß, dass sie den gewachsenen Einzelhandels-
strukturen in der Einkaufsstraße harte Konkurrenz macht. Das überstehen viele Ein-
zelhändler nicht. Auf der anderenSeite ist dieMall so klein, dass sie nicht besteht gegen
die großen Anbieter, die nicht weit entfernt sind. Und da müssen wir aufpassen, dass
nicht unter der Kannibalisierung zumSchluss alle leiden.
… Auch hier in der Nähe war es so, dass es Einkaufsangebote gab. Und es gibt jetzt
neue in anderer Größenordnung. Ich erlebe Reaktionen von Berlinerinnen und Berli-
nern, die sagen nach dem ersten und zweiten Besuch: Ist toll, ist groß, aber nicht an-
ders, nicht neu. Und ich glaube, das muss man kritisch diskutieren. Was ist das eigent-
lich, was den Kunden dauerhaft in dieMall zieht, was dauerhaft Kaufkraft in die Stadt
holt, was dauerhaft auch Ihr Geschäft belebt?
… Ein Satz zur Digitalisierung. Man kann es nicht wegdiskutieren, man kann
nicht so tun, als ob es nicht da wäre oder sagen: Früher war alles schöner. Das
mag sein. Aber dann muss man sich damit auseinander setzen … weil es Gene-
rationen gibt, die gar nichts anderes kennen, und die Angebote auch annehmen
wollen. Und da muss man Dinge auch nicht dämonisieren … Ich habe auch Za-
lando in der Stadt mit inzwischen 5.000 Mitarbeitern. Aber die machen nicht
nur das, was wir aus dem Fernsehen kennen, das Onlinegeschäft mit dem schrei-
enden Paketboten. Inzwischen gibt es Modemessen, es gibt Kooperationen mit
Einzelhändlern, es gibt Produktlinien, die über Zalando angeboten werden. Und
ich glaube, darin liegen auch Chancen ... Wir müssen die Schnittstellen zu den
traditionellen Handelsbereichen suchen …
Michael Müller
© KD Busch
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