German Council Magazin 04.2018 - page 36


GCM 4/2018
GERMAN COUNCIL . WANDEL
kommen zu Basel III noch weitere Regulierun-
gen durch EU und einzelne Regierungen hinzu.
Nicht unbedingt zum Vorteil von Unternehmen
und Sparern.
Verschärfte Eigenkapitalauflagen für Banken
hätten dazu geführt, dass der Realwirtschaft
heute faktisch ein ge-
ringeres
Kreditvolu-
men zur Verfügung
steht, sagt Sabine Bart-
hauer, Vorstand der
Deutschen Hypo. »Alle
deutschen Banken ha-
ben ihre Bilanzen ge-
schrumpft.« Gleichzei-
tig hätten die neuen
Dokumentationsvorschriften die Kreditvergabe
zwar »sicherer, aber natürlich auch aufwändi-
ger und dadurch teurer« gemacht.
Besser geschützt sei das Finanzsystem da-
durch nicht, sagt der Wirtschaftswissenschaft-
ler Sebastian. Zwar sollen Bundesbank und
die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
aufsicht (BaFin) künftig durch frühzeitige In-
terventionen am Markt eine neue Krise ab-
pitalmarkt sind, werden in die Insolvenz ge-
schickt. Finanzinstitute, die als »too big to fail«,
als relevant für das Finanzsystem gelten, wer-
den hingegen verstaatlicht, rekapitalisiert und
anschließend wieder an die Börse gebracht –
mit Gewinn für die Steuerzahler. 426,4 Milliar-
den US-Dollar hat die US-Regierung nach eige-
nen Angaben für das Stabilisierungsprogramm
aufgewendet – und 441,7 Milliarden US-Dollar
dabei am Ende an Einnahmen erzielt.
In Europa hingegen wird die Krise orthodox
nach dem Lehrmodell der freien Marktwirt-
schaft angegangen: Verstaatlichungen gibt es
kaum, stattdessen hagelt es Finanzgarantien.
Lediglich in Deutschland wird die Commerz-
bank vorübergehend zum Teil, die Hypo Real Es-
tate komplett von der Regierung übernommen;
doch nur deren Konzerntochter Deutsche
Pfandbriefbank kann schließlich 2015 wieder an
die Börse gebracht werden. Statt, wie in den
USA, angeschlagene Geldhäuser entweder ab-
zuwickeln oder vollständig zu übernehmen,
stützen die betroffenen Staaten der Eurozone
die Institute mit Bürgschaften. Was entsteht,
sind für den Harvard-Wirtschaftshistoriker Niall
Ferguson »Zombie-Banken« – Finanzinstitute,
die eigentlich abgewickelt gehören, aber beste-
hen bleiben, weil sie durch die Garantiezusagen
der Regierungen faule Kredite nicht vollum-
fänglich abschreiben müssen.
Die Staatsgarantien treiben die Verschuldung
von Irland und Spanien massiv in die Höhe –
und führen zur Eurokrise. Immer mehr Inves-
toren halten sich von deren Staatsanleihen
fern. Der Sog erfasst bald auch Portugal und
Italien. Die Europäische Zentralbank muss
massiv intervenieren, um die betroffenen Län-
der vor der Pleite und
die
Gemeinschafts-
währung zu retten.
»Wir werden tun, was
immer notwendig ist,
um den Euro zu erhal-
ten« – verkündet EZB-
Präsident Mario Drag-
hi am 26. Juli 2012. Es
ist der Wendepunkt
der Krise in Europa.
Pragmatisch verfahren die Vereinigten Staaten
auch bei der Neuregulierung der Banken. Die De-
vise: »So viel Kontrolle wie nötig, so viel Flexibili-
tät wie möglich.« Teile der seit 2013 geltenden
Basel-III-Verordung des Basler Ausschusses der
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich wer-
den von der US-Gesetzgebung abgeschwächt
oder ganz ignoriert. In der Eurozone hingegen
© ZUMA Press, Inc. / Alamy Stock Photo
Der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi spricht vor Journalisten im Atrium des Europäischen Rates nach dem
Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel
wenden. Doch die dafür nötigen Informatio-
nen könnten sie nicht erlangen. »Es fehlen
insbesondere detaillierte Daten über die pri-
vate Immobilienfinanzierung«, sagt Sebasti-
an. »Dies erhöht das Risiko, dass ein Eingriff
zur Unzeit kommt – entweder zu früh und da-
mit unnötig oder zu spät.«
»Zu undifferenziert« sei die Regulierung in der
Eurozone ausgefallen, sagt Martina Hertwig,
Wirtschaftsprüferin und Partnerin beim Bera-
tungsunternehmen Baker Tilly und Mitglied
im Vorstand des ZIA Zentraler Immobilien Aus-
schuss. Während für Banken und Hedge Fonds
die Auflagen verschärft wurden, seien stille
Beteiligungen sowie die Ausgabe von Nach-
rangdarlehen und Genussscheinen kaum re-
guliert worden, sagt Hertwig. »Wäre dies an-
ders, wäre die Pleite des Windparkbetreibers
Prokon, bei der viele Privatanleger große Sum-
men verloren haben, vielleicht vermeidbar ge-
wesen.«
Ein Beitrag von
Richard Haimann,
freier Journalist
›Wir werden tun, was
immer notwendig ist, um
den Euro zu erhalten.‹
EZB-Präsident Mario Draghi
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