Page 42 - German Council Magazin 03.2021
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GERMAN COUNCIL . INTERVIEW




          Was würden Sie einem Schuhfilialisten
          raten,  der sich angesichts dieser  Sze-                                                            ©  Nick Wolff
          narien Gedanken über die Zukunft sei-
          nes Unternehmens  macht,  der  sich
          fragt,  was aus  Innenstadtlagen und
          Centern wird. Wie kann er sich neu er-
          finden?
          Was ich beschrieben habe, ist eine Ten-
          denz. Natürlich gibt es auch in Zukunft
          echte Metropolen, die einen gewissen An-
          teil an Frequenzlagen behalten werden, al-
          lein schon aufgrund von Verkehrsknoten-
          punkten. Ein Unternehmen muss sein Fili-
          alnetz an den Frequenzen ausrichten. Da-
          neben ist die Frage wichtig, welche Größe
          ein Standort verträgt. In kleinstädtischen
          oder ländlichen Regionen wird sicherlich
          noch lange Zeit das Fachmarktzentrum
          eine Rolle spielen. Als Filialist muss ich da
          sein, wo die Kunden sind und nicht glau-
          ben, dass die Kunden schon zu mir kom-
          men werden.

          Werden die Kunden, die jetzt online ge-  Auch der Deichmann-Standort in Remscheid gehört zu den Projekten von Schwitzke
          kauft haben, weil sie mussten, wieder in
          den stationären Handel zurückkehren?
          Es geht nicht ums Zurückkehren. Kunden   viel präsenter als bei Best Agern, die noch   Platz gebracht werden. Ich höre, dass das
          werden immer da kaufen, wo es am kom-  ganz anders aufgewachsen sind. Sie regis-  bei den Kunden gut ankommt. Es zeigt,
          fortabelsten  ist.  Das  kann  mal  stationär   trieren zwar, dass das Thema da ist, aber   dass die Bereitschaft des Konsumenten,
          und mal online sein. Der stationäre Han-  eigentlich berührt es sie nicht. Die jetzt   sich auf andere Formate einzulassen, vor-
          del wird nach wie vor Funktionen haben:   heranwachsende Generation, die in Zu-  handen ist.
          Unterhaltung, Inspiration und Beratung.   kunft  die  Mehrheit  der  Kunden  stellen
          Und viel stärker noch als bisher braucht   wird, wird ganz anders einkaufen.   Viele Händler sind derzeit  sehr  frust-
          er Händlerpersönlichkeiten, die echte Ku-                           riert, weil ihnen immer noch die Pers-
          ration bieten, die eine Auswahl treffen   Wird  das auch  zu  ganz  neuen Ge-  pektive fehlt.  Sie fühlen  sich von der
          aufgrund ihrer eigenen Haltung.    schäftstypen führen?             Politik allein gelassen…
                                            Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es gibt   Aber der grundsätzliche Veränderungs-
          Die Verbraucher  unterscheiden  sich   aber andere Branchen mit viel extremeren   prozess ist doch nicht von der Politik ab-
          aber sehr stark.  Junge Konsumenten   Modellen für die Art, wie man Handel   hängig…
          haben  oft  ein eingeschränktes Budget   betreiben kann. Nehmen wir Essens-Lie-
          und können sich  solche kuratierten   ferdienste, die ein 15-Minuten-Verspre-  Wenn ein Lockdown beschlossen wird
          oder  auch  nachhaltigen Sortimente   chen machen. Das heißt nicht, dass die   schon.
          nicht leisten, während Best Ager eher in   keine Räume brauchen, um Handel zu   Das ist eine vorübergehende Maßnahme.
          der wirtschaftlichen Situation sind, sich   betreiben. Deren dezentrale Verkaufsstel-  Aber es ändert nichts.
          ein wertigeres Produkt gönnen zu kön-  len sind Lager, damit ein Fahrradkurier
          nen…                              das Essen innerhalb von 15 Minuten aus-  Sind Sie mit  Blick auf  unsere Innen-
          Nein, die Jungen kaufen doch viel spitzer.   liefern kann. Es gibt Experimente im Le-  städte besorgt, dass es zumindest vor-
          Es ist genau andersherum. Gerade im jun-  bensmittelhandel, bei denen jemand 24   übergehend zu  Leerständen  und  einer
          gen Bereich gibt es Marken, die stationäre   Stunden geöffnet hat, ganz ohne Perso-  gewissen Trostlosigkeit kommen könn-
          Läden als Bühne betreiben. Dort trifft   nal. In einigen Branchen wird viel weiter-  te? Dass es fürchterlich wird?
          man sich und tauscht sich aus. Gekauft   gedacht als derzeit im Schuhhandel. Dort   Nein, ich bin überhaupt nicht besorgt. Es
          wird aber online. Das sind sehr spezifi-  kenne ich nur ein einziges Konzept, einen   wird nicht fürchterlich. Es gibt ganz un-
          sche Angebote. Es ist nicht so, dass nur   Händler in Polen (Eobuwie), der im Ver-  terschiedliche Ausgangspunkte für ver-
          Menschen mit einem gewissen Budget   kaufsraum keine Schuhe mehr ausstellt,   schiedene Städte. Eine Stadt wie Düssel-
          sehr selektiv kaufen. Gerade das Thema   sondern nur noch Screens, an denen man   dorf hat nach wie vor in jedem Jahr Zu-
          Nachhaltigkeit ist bei jungen Menschen   Schuhe auswählt, die einem dann an den   zug. Wenn sich durch mehr Homeoffice


          40 Shopping Places* 3 / 2021
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