Page 14 - German Council Magazin 03.2021
P. 14
GERMAN COUNCIL . GLOKALISATION
Weniger arbeiten, gunsten der Beschäftigung: »Drei-Stun-
den-Schichten und Fünfzehn-Stunden-
mehr leisten Arbeitswochen könnten das Problem für
eine ganze Weile beseitigen.« Sonst drohe
eine massive Spaltung der Gesellschaft,
von der nur radikale Parteien profitieren
Die fortschreitende Digitalisierung sorgt dafür, dass es immer weniger zu würden. Drei Jahre nach Keyes‘ Appell
tun gibt. Um Arbeitsplätze zu erhalten, setzen Unternehmen zunehmend ergriffen die Nationalsozialisten die
auf die Vier-Tage-Woche. Mit Erfolg, wie sich zeigt: Die Mitarbeiter sind Macht in Deutschland.
nicht nur zufriedener, sondern auch produktiver. Finnland, Island und Nicht nur beim Berliner Unternehmen
Neuseeland erwägen nun, die Beschäftigungszeit generell zu verkürzen Tandemploy gibt es eine verkürzte Ar-
– auch, um Massenarbeitslosigkeit vorzubeugen beitswoche. Eine wachsende Zahl von
Firmen weltweit setzt darauf, dass ihre
Beschäftigten in nur vier Tagen pro Wo-
Software ist ihr Geschäft, eine bessere Ar- Montag bis Freitag arbeiten müssen. Die che genauso produktiv sein können, wie
beitswelt ihre Vision: Anna Kaiser und Software-Schmiede in der Spreemetropo- in den bislang üblichen fünf Erwerbsta-
Jana Tepe, Gründerinnen des Berliner IT- le lebt die Vier-Tage-Woche. gen. Ein weiteres Beispiel dafür ist das
Unternehmens Tandemploy, zählen zu Grazer IT-Unternehmen Bike Citizens,
den deutschen Pionieren der globalen Be- Zukunftsprojekt: Neuverteilung der das Apps für Fahrradfahrer entwickelt.
wegung des New Work, der »Neuen Ar- Arbeit »Gearbeitet wird für jeweils neun Stun-
beit«. Deren Ziel ist es, Menschen mehr den von Montag bis Donnerstag«, sagt
Freiheit und Freude im Job zu verschaf- Die Neuverteilung der Arbeit ist für viele Andreas Stückl, der die Software-Schmie-
fen. »Wir sind fest davon überzeugt, dass junge Unternehmer die Antwort auf gro- de 2011 gemeinsam mit Daniel Kofler ge-
Arbeit und Leben auf eine erfüllende Art ße Herausforderungen der Zukunft: Erst gründet hat. »Der Freitag ist frei.« Und
zusammengehören«, sagt das Frauen- Maschinen und nun die Digitalisierung das bei Vollzeitlohn, obwohl die Arbeits-
Duo. mit Robotern, Computern und dem In- zeit nur 36 statt 40 Stunden pro Woche
ternet machen immer mehr Tätigkeiten beträgt.
Seit 2016 entwickelt ihr 30-köpfiges überflüssig, die bislang Menschen zu
Team Programme und Plattformen, über Lohn und Brot verholfen haben. Das ist Je länger jemand arbeitet, desto besser sei
die Unternehmen Mitarbeitende aus di- kein neues Problem. »Wir sollten die Ar- das Ergebnis, laute die Annahme, sagt
versen Abteilungen für Arbeitsprozesse beit, die es noch gibt, möglichst breit ver- Kofler. »Heutzutage übernehmen aber
vernetzen können. Große Konzerne und teilen«, plädierte bereits 1930, auf dem Computer und sonstige Maschinen einen
namhafte Mittelständler zählen zu den Höhepunkt der Großen Depression, der wesentlichen Teil der Arbeitsleistung; der
Kunden. Kaiser und Tepe haben das er- britische Ökonom John Maynard Keyes menschliche Beitrag besteht in der strate-
reicht, ohne dass ihre Beschäftigten von für eine Reduzierung der Arbeitszeit zu- gischen Konzeption, also in einer Denk-
leistung, deren Qualität maßgeblich
durch Kreativität bestimmt wird.« Um
dies leisten zu können, müsse aber auch
© PeopleImages – istockphoto.com werden. »Das funktioniert nicht immer
der Blickwinkel auf die Dinge verändert
bei der Arbeit«, sagt Kofler. »Indem man
den Job nicht als etwas Abgekapseltes
von seinem Leben sieht, sondern Ideen
auch in der Freizeit zulässt, leistet man
gewissermaßen unbewusste Arbeit.«
Die starre 40-Stunden-Woche passe nicht
in die moderne Arbeitswelt, sagt Tan-
demploy-Mitgründerin Kaiser. Stattdes-
sen sei Flexibilität nötig. »Manche Auf-
gaben brauchen weniger, manche mehr
Kapazitäten«, sagt Kaiser. Da die Mitar-
beitenden sich in drei freien Tagen besser
erholen könnten als nur über das Wo-
Produktiver, mehr Erfolg, weniger Stress chenende, sei in vier Tagen auch die Ar-
12 Shopping Places* 3 / 2021