Page 18 - German Council Magazin 02.2020
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GERMAN COUNCIL . ZUVERSICHT
Alibaba und das Quer durch Asien – vom heutigen Ka-
sachstan im Norden bis Indien im Süden
Reich der Mitte – spannte sich damals ein Netz von Kara-
wanenwegen und Seefahrtsrouten, auf
denen Wolle, Gold und Silber aus dem
Römischen Imperium, aus griechischen
China hat die Corona-Krise schneller abgeschüttelt Stadtstaaten und dem Pharaonenreich
als die übrige Welt und startet wirtschaftlich schon Ägypten bis nach China und Japan ge-
wieder durch. Mit der »Neuen Seidenstraße« treibt bracht wurden. Im Gegenzug kamen Sei-
die Volksrepublik ihre Expansion mit Macht voran, de und Gewürze von dort in die Mittel-
liefert dabei Waren auf dem Schienenstrang bis ins meerregion.
Ruhrgebiet. Beim belgischen Nachbarn entsteht Transportaufkommen fast wieder
zudem eine gigantische Verteilerdrehscheibe, über auf Vor-Corona-Niveau
die Produkte aus der Volksrepublik direkt an
Kunden in Europa geliefert werden sollen Endpunkt der »Neuen Seidenstraße« in
Deutschland ist Duisburg, wo seit nun-
mehr zwei Jahren pro Woche 40 Güter-
züge des Trans-Eurasi-Express mit Elek-
Eduard Schewardnadse, von Michail Aufgegriffen wird die Idee hingegen rund trogeräten und Textilien aus der chinesi-
Gorbatschow im März 1985 zum Au- 5.510 Kilometer von Baku entfernt – in schen Millionenmetropole Wuhan gefüll-
ßenminister der Sowjetunion ernannt, Chinas Hauptstadt Beijing. Pläne werden te Container anliefern. Retour geht es mit
treibt wesentlich das Ende der kommu- geschmiedet, Projekte auf den Weg ge- Nahrungsmitteln aus Europa für die ste-
nistischen Herrschaft im Riesenreich vo- bracht. Offiziell vorgestellt wird das Vor- tig wachsende Mittelschicht im früheren
ran. »Die Unterdrückung der Gedan- haben 15 Jahre nach der Konferenz von »Reich der Mitte«. Knapp 10.000 Kilo-
kenfreiheit führt unweigerlich zu einem Baku: Als Vizepräsident Xi Jinping am meter misst der Schienenstrang, rund 14
Energiestau, der schließlich jede von ei- 14. März 2013 zum Staatspräsidenten Tage währt eine Fahrt. Für Erich Staake,
nem totalitären System oder einer Dikta- Chinas ernannt wird, erfährt die Welt Vorstandsvorsitzender der Duisburger
tur errichtete Mauer zum Einsturz brin- von der hunderte Milliarden Euro schwe- Hafen AG, ist die Schienenverbindung
gen wird«, wirbt der Georgier für Refor- ren Initiative »One Belt, One Road« – eine Revolution im Transportwesen. Zu-
men. Zusammen mit Gorbatschow rät ein Gürtel, eine Straße. Entstehen soll ein vor habe es nur zwei Möglichkeiten gege-
er bereits 1987 dem DDR-Staatsratsvor- Netzwerk aus Straßen, Eisenbahnstre- ben, Waren aus China nach Deutschland
sitzenden Erich Honnecker, die Grenze cken und Seewegen, das sich von China zu bringen: »Mit dem Flugzeug, was sehr
zur Bundesrepublik Deutschland zu öff- quer durch Asien bis Europa und Afrika teuer ist, oder mit dem Schiff, was preis-
nen. Nicht konfrontativ, sondern koope- spannt. Es ist die Wiedergeburt zentraler wert, aber zeitlich kaum berechenbar
rativ ließen sich Probleme lösen. Handelswege aus der Zeit der Antike. ist.« Die Bahn liege genau dazwischen.
Auf die internationale Zusammenarbeit
setzt Schewardnadse auch, als die Sow-
jetunion zerfallen ist und er am 10. März
1992 Präsident des neuen unabhängigen
Georgiens wird. Die Vision des damals © SPUTNIK / Alamy Stock Foto
64-jährigen: Er will den Transport-Corri-
dor-Europe-Caucasus-Asia schaffen – eine
Straßen- und Eisenbahnverbindung, die
von Europa durch die neuen Kaukasus-
Staaten bis nach China reichen soll, um
den Handel zwischen den Nationen zu er-
leichtern.
Am 7. und 8. September 1998 findet in
Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, die
erste Konferenz zur »Wiederherstellung
der großen Seidenstraße« statt. Frankreich
ist mit der Großbank BNP Paribas dabei. UdSSR-Präsident Michael Gorbatschow und sein Außenminister Eduard Schewardnase setzen auf inter-
Deutschland und die übrige EU zögern. nationale Zusammenarbeit. Schewarnardse träumt von einem Transport-Corridor-Europe-Caucasus-Asia
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