Page 50 - German Council Magazin 03.2021
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GERMAN COUNCIL . INTERVIEW
»Wenn wir in erster Linie ein heißt, ich muss mir als Händler:in immer
die Frage stellen, was möchte meine Kun-
schönes Erlebnis haben, dann din, mein Kunde, um ein schönes Erlebnis
zu haben. Dann werden wieder Tugenden
wichtig wie ein schönes Sortiment, gut ku-
sind wir völlig schmerzbefreit, ratiert, gut präsentiert. Noch viel wichti-
ger: Die gute Kundenansprache. Schleicht
was Kosten angeht« sich ein Verkäufer von hinten an und sagt:
»Kann ich helfen?« oder werde ich mit ei-
nem Getränk willkommen geheißen?
Oder: Kann ich mich irgendwo hinsetzen?
Nicole Srock.Stanley, Gründerin und CEO der Unternehmensgruppe Und wo kann mein Lebenspartner, meine
dan pearlman Group mit Sitz in Berlin, rät Händlerinnen und Händlern, Partnerin warten, wenn die kein Interesse
nicht mehr nur an Umsatz pro Quadratmeter zu denken, sondern an diesem Shopping-Erlebnis haben? Ent-
Aufenthaltsqualitäten für die Kundinnen und Kunden zu schaffen und scheidend sind die soften Faktoren, die Er-
lebnisse kreieren.
das Shopping so zum Erlebnis zu machen. Gute Beispiele dafür sind
Karls Erlebnis-Dorf, das Bikini Berlin oder die koreanische Kette Haben Sie da vielleicht ein, zwei Bei-
Gentle Monster spiele, außer gutes Sortiment, gute Be-
ratung?
Tatsächlich haben aus unserer Sicht auf
gekannt hat. Wenn bei der Entscheidung,
einmal kleinere, inhabergeführte Unter-
© dan pearlman Group in den Laden zu gehen, über eine Zeitver- nehmen wieder eine sehr hohe Relevanz.
Da stehen die Inhaber:innen oft selbst
fügbarkeit entschieden wird, sprechen
wir von Freizeitindustrie. Das heißt, der
hinter der Ladentheke und wissen auch,
ganze stationäre Handel hat klammheim-
lich die Industrie gewechselt – von Be- wer durch die Tür kommt. Sie sehen die
Kunden nicht als wandelnde Portemon-
darfsdeckung zu Freizeitunternehmen. naies, sondern als Individuen mit be-
stimmten Bedürfnissen. Das ist das, was
Wie schaffen es Händler, dass Shop- die Kundin und der Kunde sich wieder
ping für ihre Kundinnen und Kunden wünschen: die Verbundenheit zu dem Ort
zum Erlebnis wird? und nicht einfach eine abstrakte Kennzahl
Auf einmal geht es nicht mehr darum, viel in der Kasse zu sein.
Umsatz pro Quadratmeter zu machen,
sondern es geht um Aufenthaltsqualitäten Ein Konzept, das ich sehr interessant fin-
für die Kunden. Gerade das ist eine der de, ist Gentle Monster. Das Format
wichtigsten KPIs, weil diese definiert, wie kommt aus Korea, verkauft Sonnenbril-
lange eine Kundin im Laden bleibt. Je len und macht gerade einen richtigen Er-
Nicole Srock.Stanley mehr Zeit sie verbringen kann, umso hö- oberungsfeldzug, nicht nur in den asiati-
her wird die Catchment Area, nämlich das schen Ländern. Das Erdgeschoss ist eine Wir investieren in
Einzugsgebiet. Je höher das Einzugsgebiet Ausstellung, die könnte auch im MOMA
Frau Srock.Stanley, was ist der Unter- wird, umso größer ist auch die potenzielle so stehen. Es ist wahnsinnig unterhalt- Einkaufserlebnisse.
schied zwischen Einkaufen und Shop- Zielgruppe, die zu einem kommt. sam. In der oberen Fläche haben die eige-
ping? nen Produkte, die eben auch sehr State of Und erfüllen elementare
Nicole Srock.Stanley: Einkaufen ist But- Darüber hinaus gilt: Nur was in eine schö- the Art sind, Platz. Solche Retailtainment-
ter, Milch, Eier, Salz, also klassische Be- ne Geschichte verpackt wird und einer gu- Konzepte, also eine Mischform zwischen Grundbedürfnisse.
darfsdeckung. Das wird zukünftig zu ten Dramaturgie folgt, bringt ein Erlebnis. Warenpräsentation und Unterhaltung,
hundert Prozent ein Online-Thema wer- Diese besonderen Erlebnisse sind so wich- werden in Zukunft extrem wichtig.
den. Wenn ich weiß, was ich brauche, tig, weil wir mittlerweile überstimulierte DIR Deutsche Investment Retail als spezialisierter Investment- und Asset Manager
dann kaufe ich online. Wenn ich aber Gehirne haben, sodass wir uns eigentlich Wir waren im Urlaub im Karls Erlebnis- der Assetklasse Nahversorgung. Mehr auf deutsche-investment.com
nicht weiß, was ich haben möchte, son- schon gar nicht mehr erinnern können, Dorf auf Usedom. Man denkt, man geht
dern nur ein vages Gefühl, dass ich mir et- was wir vorige Woche gemacht haben. in einen Freizeitpark, ist hinterher auch
was Gutes tun möchte und ich habe zwei Doch wenn wir uns nicht daran erinnern, am Shoppen und lässt als kleine Fami-
Stunden Zeit, dann wird Shopping rele- dass wir in einem netten Laden waren, lie schnell hundert Euro da.
vant. Da kommt jetzt gerade ein Paradig- dann werden wir da nie wieder hingehen, Karls ist der Prototyp der Zukunft des
menwechsel, den man so im Handel nicht außer er ist der einzige seiner Art. Das stationären Handels. Karls geht in abso-
48 Shopping Places* 3 / 2021