Page 17 - German Council Magazin 03.2019
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GERMAN COUNCIL . TRANSFORMATION
© ihr-fotograf-in-hamburg.de Menschen weniger wegwerfen wollen und
bereit sind, gebrauchte Waren zu erwerben.
Der Outdoor-Händler Globetrotter stattet seine
Filialen gerade mit kleinen Reparaturwerkstät-
ten aus, die unter dem Aspekt der Nachhaltig-
keit Defekte an Jacken, Hosen oder Rucksä-
cken binnen einer bis zwei Stunden beheben.
Ist dies auch ein nachahmenswertes Modell –
oder behindert so ein Service nur den Verkauf
neuer Waren?
Eine hohe Service-Qualität ist immer gut für
das Marketing. Und da der Kunde auf die Re-
paratur warten kann, stöbert er durch die
Flächen und tätigt mit hoher Wahrschein-
lichkeit noch einige Spontankäufe.
Dem stationären Handel auf dem flachen Land,
der durch seine geringe Sortimentstiefe den
Wettbewerb der E-Commerce-Anbieter beson-
ders stark spürt, dürften solche Aktivitäten je-
doch kaum helfen …
Irrtum. Gerade in ländlichen Regionen kann
der stationäre Handel mit Service überzeu-
gen. Ein Textilfachgeschäft mit individueller
Beratung und eigener Änderungsschneiderei
bindet dort Kunden, weil der Online-Händler
diese Nähe – und die damit verbundene
Identifikation – nicht bieten kann. Zudem
hat der Handel auf dem Land einen weiteren
Trumpf: Wir erleben gerade als Gegenbewe-
gung zur Globalisierung eine Rückbesinnung
auf regional erzeugte Produkte. Auch hier
Christine Hager spielt das Thema Nachhaltigkeit eine große
Rolle, weil bei diesen Waren lange Transport-
wege entfallen. Eine wachsende Zahl von
Konsumenten aus der Großstadt fährt inzwi-
le Menschen mit hohen ethischen Ansprü- Vorstellbar ist das durchaus, nicht nur bei schen ins Umland, um dort lokale Waren ein-
chen – und zumeist hoher Kaufkraft. Sie wol- Markentextilien, sondern auch bei hochwer- zukaufen. Davon profitieren Landwirte, aber
len ressourcenschonend konsumieren und tigen Elektronikartikeln wie Smartphones auch Einzelhändler. In Bayern sind es regio-
sind bereit, für die Produkte, die vor ihrem und Digitalkameras, die auch gebraucht bei nal gefertigte Dirndl, in Norddeutschland
harten Anforderungsprofil bestehen, höhere eBay hohe Preise erzielen. Ein solches Ange- Wollpullover aus regionalen Manufakturen.
Preise zu zahlen. Ich erlebe dies gerade in der bot müsste jedoch gesponsert werden, etwa Online-Händler haben diese Waren in der Re-
eigenen Familie. Meine Stieftochter kauft fast durch eine geringe Festmiete zuzüglich ei- gel nicht, weil die Produktionsmengen der
nur noch Secondhand und plastikfrei. nem Umsatzmietanteil. Es hätte aber durch- Hersteller zu gering sind und diese durch re-
aus positive Marketing-Effekte. Ideal wäre, gionale Vertriebsstrukturen die Exklusivität
In den USA reagieren Hersteller bereits. Patago- die Geschäfte selbst würden eine kleine Se- ihrer Produkte untermalen wollen.
nia und The North Face haben eigene Second- condhand- oder Tailormade-Abteilung integ-
hand-Plattformen aufgezogen. Kunden können rieren. Dann könnten sie Kunden direkt an Egal, ob in der Großstadt oder auf dem flachen
Kleidungsstücke, die nicht mehr passen oder sich und die von ihnen vertriebenen Produk- Land, der stationäre Handel ist durch die La-
nicht mehr gefallen, zurückgeben und erhalten te binden. Für den stationären Handel wären denschlusszeiten im Wettbewerb immer be-
dafür eine Gutschrift für den Kauf neuer Pro- solche Angebote jedenfalls eine Chance, zu- nachteiligt gegenüber den E-Commerce-Anbie-
dukte. Die beiden Hersteller verkaufen die zu- sätzliche Kunden zu gewinnen – gerade aus tern.
rückgegebenen Textilien wiederum an andere der wachsenden Gruppe der jungen Men- Das ist leider richtig. Hier müssen wir gegen-
Kunden. Können Sie sich vorstellen, dass Shop- schen, die nachhaltig konsumieren wollen. steuern und dabei auch die Politik für eine
ping Center in Deutschland eines Tages auch Der Erfolg von eBay und Plattformen wie Lockerung der Auflagen und Beschränkun-
Secondhand-Stores integrieren? Kleiderkreisel zeigt ja, dass immer mehr gen gewinnen. Lieferdienste aus dem Food-
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