Page 26 - German Council Magazin 02.2020
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GERMAN COUNCIL . INTERVIEW wird. Unsere Märkte sind nämlich wei-
© European Union 2019 – EP / Emilie Gomez testgehend offen und in China gilt das
Gegenteil. Beim virtuellen EU-China-
Gipfel im Juni haben Kommissionspräsi-
dentin von der Leyen und Ratspräsident
Michel deutlich gemacht, was Europa
erwartet: Die chinesische Seite soll ihre
Versprechen einhalten.
Ist es auch deshalb sinnvoll gewesen,
den geplanten Gipfel im September in
Leipzig abzusagen?
Den Gipfel zu verschieben, gebot nicht
nur die Pandemiesituation, sondern auch
die Tatsache, dass vorzeigbare, substan-
zielle Ergebnisse bis September praktisch
ausgeschlossen waren. Ein substanzloser
Wohlfühl-Gipfel hätte allenfalls Xi Jin-
pings Propaganda genutzt. Der EU hätte
er geschadet.
Braucht die EU grundsätzlich eine neue
China-Politik?
Ist China auf dem Weg zur uneinge- gen, notwendig ja, aber leider kein Part- Die europäische China-Politik braucht
schränkten Hegemonialmacht? ner. Und es hilft nichts, unseren Wunsch keinen fundamentalen Neuanfang, aber
Es ist offenkundig, dass China im asia- nach Zusammenarbeit schon für die Re- mehr Klarheit. Partnerschaft, Wettbe-
tisch-pazifischen Raum die vorherr- alität zu halten. werb und systemische Rivalität können
schende Macht werden will. Wer Xi Jin- nicht gleichgültig nebeneinandergestellt
ping gut zuhört, versteht, dass dessen China ist Deutschlands wichtigster Han- werden. Man ist nicht am Montag syste-
Ehrgeiz noch darüber hinausgeht. Aber delspartner. Wir haben im vergangenen mischer Rivale und über den Rest der
die Erzählung vom unwiderstehlichen, Jahr Waren im Wert von fast 110 Milliar- Woche tut man so, als gelte das nicht.
unvermeidlichen Aufstieg Chinas ist ein den Euro aus China importiert und eine Um unsere China-Strategie richtig hinzu-
Pekinger Propagandamärchen. Chinas ähnlich hohe Summe dorthin exportiert. kriegen, müssen wir sie in die globale
bei spiellose Erfolge der letzten 40 Jahre Wie schwer wiegt diese Ausgangsbasis Perspektive einbetten. Unser Ziel bleibt
beruhten auf der Öffnung des Landes bei Verhandlungen zu einem Investiti- eine multilaterale Weltordnung und die
und auf internationaler Zusammenar- onsabkommen, das gleiche Wettbe- internationale Herrschaft des Rechts.
beit. Ein herrisches China, das Zusam- werbsbedingungen zwischen China und Das wird dadurch zweifellos außeror-
menarbeit durch Zwang ersetzen möch- der EU schaffen soll? dentlich erschwert, dass wir in den USA
te, arbeitet an der eigenen Schwächung. Wenn China ein Investitionsabkommen einen Präsidenten erleben, der klassische
Ich glaube, es gibt in China viele kluge will, muss es sich an verschiedenen, klar Großmachtpolitik betreibt, kein verläss-
Leute, denen der Kurs der gegenwärtigen benannten Punkten sehr deutlich bewe- licher Partner Europas sein will und der
Führung eher Sorgen macht als Hoff- gen. Es verhandeln nicht Deutschland in vielen Fällen unter dem Absingen
nung. und China, sondern die wüster Lieder und unter
EU und China. Gespro- der Verkündung scharf
Von Sanktionen gegenüber China hört chen wird seit 2013. Die ›Ein herrisches China, anti-chinesischer Parolen
man wenig. Vielmehr will auch Bundes- Absicht, bis zum Ende das Zusammenarbeit Chinas totalitärer Füh-
kanzlerin Merkel den Dialog mit China dieses Jahres ein Ergeb- rung de facto ins Blatt
fortsetzen. Ist das noch der richtige nis hinzulegen, wird durch Zwang ersetzen spielt. Trotzdem dürfen
Schritt? wahrscheinlich verfehlt, möchte, arbeitet an der wir nicht aufhören, um
Grundsätzlich ist gegen Dialog nichts weil Peking sich nicht die Partnerschaft mit den
einzuwenden. Der Dialog mit einem sys- genug bewegt. Es geht eigenen Schwächung‹ USA zu ringen. Aber das
temischen Rivalen ist aber kein Deck- um Marktzugang, um ist nicht genug. Und es
chen-Sticken. Wir müssen unsere Werte faire Wettbewerbsbedin- reicht auch nicht unsere
und Interessen konsequent vertreten. gungen und um Nachhaltigkeit. Wir Prinzipien vor uns herzutragen wie tibe-
Viele sagen, China sei ein notwendiger wollen Regelungen, die verhindern, dass tanische Gebetsmühlen. Die EU sollte
Partner beim Klimaschutz. Ich würde sa- die gegenwärtige Schieflage zementiert mit möglichst vielen geeigneten Partnern
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