Page 18 - German Council Magazin 01.2020
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          Digitale Gefährten                                                  Angst hat, ist das Alter. »Ich hoffe, dass
                                                                              ich nicht pflegebedürftig werde«, sagt
          erleichtern das Dasein                                              Helga  Meier.  Nie  mehr  will  sie  anderen
                                                                              Menschen ausgeliefert sein. »Sollte ich ei-
                                                                              nes Tages nicht mehr für mich sorgen kön-
                                                                              nen, hoffe ich, dass mich ein Roboter
          Für die meisten Deutschen ist es eine Horrorvorstellung, sich       pflegt.«
          im Alter pflegen zu lassen. In Japan ist das anders. Da schätzt
          man die Vorteile der digitalen Helfer hoch ein: Sie sind geduldig,   Irgendwann von einem Maschinenwesen
          kennen keine bösen Worte und bieten Demenzkranken und               betreut, gefüttert und gewickelt zu wer-
          Gebrechlichen damit jene Geborgenheit, die menschliche              den, ist ein Gedanke, der den meisten
                                                                              Menschen in Deutschland und anderen
          Pflegekräfte unter Zeitdruck nicht mehr geben können                westeuropäischen Ländern nicht behagt.
                                                                              Helga Meier gehört klar zu einer Minder-
                                                                              heit, wie eine Umfrage des Bundesver-
                                                                              bands Informationswirtschaft, Telekom-
          Helga Meier heißt in Wahrheit anders.   werden die Angst gekommen, erneut mit   munikation und Neue Medien, Bitkom, in
          Aber sie will nicht, dass ihr korrekter   Teppichklopfer, Schuh- oder Kochlöffel   Berlin zeigt. Danach können sich lediglich
          Name in der Öffentlichkeit erscheint. Aus   traktiert zu werden. Für die Prügel habe   37  Prozent  der  Deutschen  im  Alter  von
          Scham. Denn ihre Geschichte ist eine leid-  sie nie Anlass gegeben. »Eine Schwester   mehr als 64 Jahren vorstellen, von einem
          volle, von  Ängsten dominierte, die sie seit   knöpfte sich jeden Tag ein anderes Kind   Roboter auch nur zeitweise gepflegt zu
          nunmehr fünf Dekaden immer wieder aus   vor«, sagt Helga Meier. »Wenn sie zu-  werden.
          dem Schlaf schrecken lässt, die ihr Vertrau-  schlug, sagte sie uns: Du wirst schon ir-
          en in Menschen bis heute beeinträchtigt.   gendetwas verbrochen haben.«  »Wer Schmuse-Roboter einsetzt,
                                                                              um alleingelassene Demente ruhig
          Helga Meier, 59 Jahre alt, ist von ihrer   Morbus Crohn, eine chronisch-entzündli-  zu stellen, hat seinen Beruf nicht
          Mutter nach der Geburt in ein Heim gege-  che Darmkrankheit, dazu mehrmals im   verstanden«
          ben worden. 1961,  16 Jahre nach  Ende   Monat  heftige  Migräneattacken  und
          des Zweiten Weltkriegs und der national-  Herzrasen – Helga Meier trägt bis heute   Auch Pflegeprofis stehen der Technik
          sozialistischen Diktatur, sind Kinderheime   an der Zeit im Heim. Eine »somatoforme   skeptisch gegenüber. Deutlich zeigt dies
          in West- wie Ostdeutschland nicht gerade   Störung« haben ihr die Ärzte diagnosti-  eine Studie des ZQP – des Zentrums für
          ein Hort der Glückseligkeit. »Es herrschte   ziert: Dauerhafte körperliche Beschwer-  Qualität in der Pflege in Berlin und des
          immer ein Befehlston wie in einer Kaser-  den, verursacht durch erlittenen Stress in   Universitätsklinikums  Charité,  basierend
          ne«, erinnert sich die Frau. »Wir wurden   der Kindheit. Mit den Krankheiten hat die   auf der bundesweiten Befragung von 355
          ständig erniedrigt, immer wieder geschla-  Angestellte eines großen Hamburger Un-  hauptberuflichen Pflegern. 55 Prozent der
          gen.« Jeden Morgen sei mit dem Wach-  ternehmens zu leben gelernt. Wovor sie   Befragten bejahten die These, wonach
                                                                              »technische Geräte im Bereich sozialer
                                                                              und emotionaler Unterstützung zum Ver-
                                                                              lust menschlicher Wärme führen«. Exem-
         © wonry – istockphoto.com                                            plarisch wird in der Ergebnispräsentation
                                                                              eine 53-jährige Studienteilnehmerin zi-
                                                                              tiert: »Wer Schmuse-Roboter einsetzt, um
                                                                              alleingelassene Demente ruhig zu stellen,
                                                                              hat seinen Beruf nicht verstanden.«

                                                                              Anders ist die Situation in Japan. Der
                                                                              fernöstliche Inselstaat ist noch stärker
                                                                              vom demografischen Wandel gezeichnet
                                                                              als Deutschland. 28,9 Prozent der Bevöl-
                                                                              kerung sind dort älter als 64 Jahre, wäh-
                                                                              rend es hierzulande nur 21,5 Prozent
                                                                              sind. Weil es zu wenige junge Menschen
                                                                              zur Pflege der gebrechlichen Älteren gibt,
                                                                              werden in Japan Roboter seit Jahren in
                                                                              Alten- und Pflegeheimen eingesetzt.
          In Japan schätzt man die Vorteile der Robotik                       Etwa das von Tokai Industries entwi-



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