Page 15 - German Council Magazin 01.2021
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GERMAN COUNCIL . DRANBLEIBEN
mit Amazon nun konfrontiert ist. Regie-
rungen diesseits und jenseits des Atlantiks
wollen aus mehreren Gründen massiv ge-
gen den Konzern vorgehen. Ein wesentli- © dennizn / Alamy Stock Foto
cher Vorwurf: Steuervermeidung. Ama-
zon würde Gewinne gezielt Tochtergesell-
schaften in Ländern zuschreiben, die kei-
ne oder nur sehr niedrige Steuern erheben
oder andere buchhalterische Kniffe an-
wenden. Nach einer Studie des britischen
Non-Profit-Analysehauses Fair Tax Mark
haben Amazon, Apple, die Google-Mut-
ter Alphabet, Facebook, Microsoft und
Netflix von 2010 bis 2019 auf diese Wei-
se zusammen Fiskalabgaben von mehr als
100 Milliarden US-Dollar in Europa und
den Vereinigten Staaten umgangen.
»Es gab in diesen Jahren einen enormen
Unterschied zwischen dem, was die Kon-
zerne an Gewinnen verbuchten, und dem,
was sie dafür tatsächlich an Steuerzah-
lungen abgeliefert haben«, sagt Fair-Tax-
Mark-Vorstandchef Paul Monaghan. Be-
sonders erfolgreich in der Steuervermei-
dung war Amazon 2017 und 2018. In
beiden Jahren ist es dem Konzern in den
USA gelungen, keinen einzigen Cent Ein- Forbes Magazine mit Jeff Bezos auf dem Cover
kommensteuer auf Bundesebene zahlen
zu müssen, obwohl Gewinne in Höhe
von jeweils mehreren Milliarden US-Dol- der dem Unternehmertum mehr Frei- In dieselbe Kerbe schlägt die EU-Kommis-
lar generiert wurden. heiten einräumt als irgendwer sonst in sion. Sie hat ihrerseits vergangenes Jahr
der Welt. Doch zugleich ist in der Ver- zwei Kartellrechtsverfahren gegen Ama-
Amerika duldet keine Monopolstel- fassung der Vereinigten Staaten der zon eingeleitet. Zum einen wirft sie dem
lung freie Wettbewerb fest verankert. Mo- E-Commerce-Giganten vor, »durch Ver-
nopole werden nicht geduldet. Das hat fälschung des Wettbewerbs auf Online-
Vor allem aber wird die Marktmacht zu- immer wieder dazu geführt, dass Kon- Einzelhandelsmärkten gegen die Kartell-
nehmend kritisch gesehen, die Amazon, zerne, die eine marktbeherrschende vorschriften« der Staatengemeinschaft zu
aber auch Alphabet, Apple und Facebook Stellung erobert haben, von der Regie- verstoßen. Der Konzern nutze »nichtöf-
angehäuft haben. Der Justizausschuss im rung zerlegt wurden. Bekannteste Bei- fentliche Geschäftsdaten von unabhängi-
US-Repräsentantenhaus ist kurz vor Jah- spiele sind der von John D. Rockfeller gen Händlern, die über den Amazon-
reswechsel in einer Untersuchung zu dem geschaffene Öl-Gigant Standard Oil, Marktplatz verkaufen, systematisch für
Schluss gekommen, dass jeder der vier der 1911 in 34 Einzelunternehmen auf- das eigene, in unmittelbarem Wettbewerb
Konzerne seine »Dominanz miss- geteilt wurde, und der Telekommuni- mit diesen Händlern stehende Einzelhan-
braucht«, um Konkurrenten »auszu- kations-Titan AT&T, der 1984 in sie- delsgeschäft«. Im zweiten Verfahren prüft
schalten oder einzuschränken« und damit ben unabhängige Gesellschaften zerstü- die Kommission, ob der Gigant »eigene
»fairen Wettbewerb zu verhindern«. Die ckelt wurde. Angebote und Angebote von Verkäufern,
Empfehlung des Gremiums am Ende des die die Logistik- und Versanddienste von
450 Seiten langen Berichts: Die US-Kar- Es ist ein Schicksal, dass nun auch Al- Amazon nutzen, bevorzugt behandelt«.
tellbehörden sollten die Konzerne zu phabet, Apple, Facebook – und Ama-
»strukturellen Trennungen« diverser Ge- zon droht. Sie seien zu »Monopolen ge- Politik plant Paketsteuer für den
schäftsbereiche zwingen – ein freundli- worden, wie wir sie zuletzt in der Ära Online-Handel
cher Euphemismus für einen harten poli- der Ölbarone und der Eisenbahn-Ty-
tischen Akt: Zerschlagung. coons gesehen haben«, bilanziert der Es müsse verhindert werden, »dass
Justizausschuss. »Diese Konzerne ha- Plattformen mit Marktmacht, die auch
Die USA gelten zwar als das kapitalisti- ben zu viel Macht, und diese Macht selbst über die Plattform verkaufen, wie
sche Land schlechthin. Als der Staat, muss eingedämmt werden.« etwa Amazon, den Wettbewerb verzer-
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