German Council Magazin 04.2017 - page 39

GCM 4/2017
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GERMAN COUNCIL . vor ort
© KD Busch
chen Bogenstrich spielen. »Beethoven war ein Schuft. Er hat nichts so
komponiert, dass es eindeutig ist; er lässt Spielraum für Interpretatio-
nen«, weiß der Mann mit dem Taktstock. Will man daraus einen Ohren-
schmaus kreieren, bedarf es Respekt und Wertschätzung – sowohl un-
tereinander als Musiker einer Instrumentengruppe als auch gegenüber
den anderen, den durchaus manchmal konkurrierenden Instrumenten.
»Vom Solo zur echten Sinfonie bedarf es Disziplin und Professionalität«,
ist Gansch nach jahrzehntelanger Erfahrung überzeugt: »Ein Orchester
spielt bis zu 200 Konzerte im Jahr. Das bedeutet im Extremfall, 40 Jahre
lang Körper an Körper mit den Kollegen dicht nebeneinander zu arbei-
ten – und dennoch kreativ und erfolgreich zu sein.«
Bitte eine Story! Und zwar eine gute!
Was für Orchester gilt, trifft auch auf Unternehmen zu. Arbeit, Fleiß,
Disziplin – und jede Menge Intuition. Nur die Kombination aus allem
führt zum Erfolg. Davon ist man auch bei Rituals überzeugt. Chris Beier,
die Deutschland-Chefin des niederländischen Kosmetikunternehmens,
präsentiert eine Erfolgsgeschichte, die noch lange nicht zu Ende erzählt
ist. Denn die Ziele der Amsterdamer sind ehrgeizig. »Wir wollen die
Nummer 1 im Home- und Body-Bereich werden«, sagt Beier und liefert
die knallharten Geschäftszahlen: 27 Länder, 500 Stores, dazu Airport
Shops. Das Body- und Beauty-Sortiment ist fernöstlich inspiriert, die
Shops entsprechend eingerichtet – subtile Düfte, Willkommenstee, lä-
chelnde Verkäuferinnen. Man will »das Glück der kleinen Dinge« ver-
mitteln. »Es ist unsere Leidenschaft, alltägliche Routinen in bedeutsame
Rituale zu wandeln«, lautet die Firmenphilosophie. Und Referentin Bei-
er zeigt gleich mal, wie das geht: Kopf zurück, Augen zu, ruhig ein- und
ausatmen, Brustkorb und Bauch mit den Händen fühlen. Dazu ruhige
Musik und harmonische Bilder an der Saalwand. Die meisten Gäste im
Saal des Adlon machen mit … »Eine ähnliche Wirkung sollen auch Ritu-
als-Produkte entfalten«, sagt Beier. »Sie sollen dabei helfen, den Mo-
ment wertzuschätzen und Intuition zuzulassen.«
Das sind auch die richtigen Stichworte für Markus Gull. Er geht sogar
davon aus: »No story, no glory!« Ohne die passende Geschichte läuft
nichts mehr im Einzelhandel. Gull: »Wir erzählen Geschichten und träu-
men in Geschichten. Und sie bestimmen zunehmend, was wir kaufen.«
Die neuen Ideen der »jungenWilden«
Matthias Storch /Marc Langner: Butiq
Matthias Storch, Vorstand der GOODBRANDSAG, ist überzeugt: Der stationäre
Handel stirbt nicht, sondern funktioniert mittlerweile einfach anders. Die Butiq,
einConcept Storemit Lokalkolorit inMannheim, überrascht denKundenmit op-
tischen Elementen wie einem Riesen-Graffiti und Oldtimer-Motorrädern. Dazu
eine Bar mit elektronischemWeinregal, das über Touchscreen bedient wird und
Informationen darüber liefert, welche Weine zu welchem Essen passen. Fertig ist
eine erfolgreiche Idee. »Es geht umInspiration«, sagt Storch. »Reine Bedarfsbefrie-
digung kann auchmit Zalando &Co. erledigt werden.«
Niklas Heinen: Odernichtoderdoch
»Ich bin der Niklas, hi«, stellt sich der 27 Jahre junge CEOder 100TAUSENDLUX
Group vor. So unkonventionell wie der Chef ist auch der Start des Unternehmens,
das damals noch Odernichtoderdoch heißt – und dessen Herzstück eine junge
Frau ist. Heute ist sieHeinens Ehefrau, damals schlicht Joana, 21 Jahre alt, Fotogra-
fin und schreibt ein Online-Tagebuch. Schnell gewinnt sie hunderttausend Follo-
wer, die ihre teils sinnlichen Fotos toll finden und immer mehr davon sehen wol-
len: dieGeburtsstunde einer aktivenCommunity. Das erste selbst erstellte Produkt
war eine von Joana designte Schreibtischunterlage – vertrieben über Instagram.
DieResonanz ist so gut, dass Joana ein zweites Produkt auf denMarkt bringt –und
floppt. 1200 vorbestellte Jahreskalender, die in unerwartet schlechter Qualität aus
der Druckerei kamen, konnten nicht verkauft werden. Joana besteht auf hand-
schriftlich verfasstenEntschuldigungsbriefen bei ihrer Community. Und liegt wie-
der richtig. Authentizität ist alles: Ihre Fans sind begeistert; der Kalender (in besse-
rer Qualität) wird im Jahr drauf 50.000Mal verkauft.
ChristianKlemenz: Bierothek
»Bier wird immer als kleiner Stiefbruder des Weins behandelt, das wollen wir än-
dern!« Christian Klemenz ist auf Mission und »St. Erhard«, sein Craft Beer, sollte
das Mittel dazu sein. Weil sein Angebot aber nicht in das Handelsumfeld der In-
dustriebiere passt, übernimmt er selbst den Vertrieb mit einem Geschäftspartner
und gründet 2014 die erste »Bierothek« in Bamberg. »Deutsches Bier genießt hohe
Wertschätzung im Ausland«, sagt Klemenz. »Aber hier dominiert Industriebier den
Handel. Wir aber wollen Bierkultur auch intensiv leben.« Sein Instinkt gibt ihm recht:
Innerhalb von drei Jahren eröffnet die »Bierothek« neun Filialen.
Andreas »Bär« Läsker: XOND
Gernwird er als »fünfterMann der FantastischenVier« bezeichnet. Was auch irgend-
wie stimmt. Denn Bär Läsker ist immer noch derManager der deutschenHip-Hoper
aus Stuttgart – und das seit Jahrzehnten. Echte Bodenständigkeit in einer schnelllebi-
gen Branche. Aus dem einst schwer übergewichtenMann ist inzwischen ein sehr viel
schlankerer geworden – und ein überzeugter Veganer. Seine Botschaft vomgesunden
Leben vermarktet der Geschäftstüchtige inzwischen ausgesprochen erfolgreich: Sein
veganes Restaurantprojekt heißt XOND, was im Schwäbischen »G´sond«, also »ge-
sund« bedeutet. 21st Century Fast Food ist das Label seiner Fast-Food-Kette, die sich
quer durch die Republik zieht. 2018 wird die 60. Filiale eröffnet.
Bär Lasker, XOND
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