Page 10 - German Council Magazin 02.2021
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GERMAN COUNCIL . FAIR FUTURE
»Der Tiger hat Zähne« deutsche Sozialstandards umzusetzen«,
sagt der Entwicklungsminister. Es gehe
vielmehr »um die Einhaltung grundle-
Das Lieferkettengesetz verpflichtet Hersteller vom übernächsten gender Menschenrechtsstandards wie des
Verbots von Kinder- und Zwangsarbeit.«
Jahr an, dafür zu sorgen, dass ausländische Zulieferer in ihren Dafür stünden auch Unternehmen in
Fabriken Menschenrechte berücksichtigen und Umweltschutzauflagen Deutschland in der Verantwortung. »Sie
einhalten. Obwohl das Regelwerk hart umstritten war, konnten sich müssen dafür Sorge tragen, dass in ihren
Gerd Müller (CSU) und Hubertus Heil (SPD) durchsetzen – nicht Lieferketten die Menschenrechte einge-
zuletzt dank Unterstützung namhafter Unternehmen halten werden«, sagt Müller.
»… mit beiden Beinen im Gefängnis«
Er gilt als »das gute Gewissen der CSU«: ohne Kinderarbeit, Ausbeutung oder Um- Das 2023 in Kraft tretende Gesetz um-
Gerd Müller hat als Bundesentwicklungs- weltzerstörung hergestellt werden«. fasst im ersten Jahr Unternehmen mit
minister den »Grünen Knopf« initiiert. mehr als 2.999 Mitarbeitern, von 2024
Ein Siegel, das für Mindeststandards in Manchester-Kapitalismus in an auch Firmen mit mehr als 999 Be-
der Textilproduktion in Drittweltländern Drittwelt-Ländern schäftigten. Einzelhändler, die Waren von
wie Bangladesch sorgt und den dort oft Herstellern beziehen, um sie in ihren Ge-
menschenunwürdigen und lebensgefähr- Unzureichende Löhne, unbezahlte Über- schäften zu verkaufen, sind nicht betrof-
lichen Arbeitsbedingungen ein Ende be- stunden, Maschinen ohne Schutzvorrich- fen. Das Regelwerk verpflichtet nur die
reiten soll. Jetzt kann der 65-jährige tungen, keine Absicherung im Krank- Produzenten, bei direkten Zulieferern so-
Schwabe und bekennende Katholik noch heitsfall – in zahlreichen Fabriken in wie anlassbezogen auch bei indirekten
einen weiteren Erfolg verbuchen: Der Drittweltländern ist der Manchesterkapi- Zulieferern Risiken für Menschenrechts-
Bundestag hat jüngst das von ihm und talismus des frühen 19. Jahrhunderts verletzungen und Umweltzerstörungen
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil noch heute Realität. »Millionen Men- zu ermitteln, Gegenmaßnahmen zu er-
(SPD) auf den Weg gebrachte Regelwerk schen leben weltweit in Elend und Not, greifen und diese gegenüber dem Bundes-
mit dem sperrigen Namen »Lieferketten- weil soziale Mindeststandards wie das amt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
Sorgfaltspflichtengesetz« verabschiedet. Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit (BAFA) zu dokumentieren. »Der Tiger
missachtet werden«, sagt Müller. »79 hat Zähne«, sagt Heil dazu.
Dieser Beschluss »wird Millionen von Kin- Millionen Kinder arbeiten weltweit unter
dern und Familien in Entwicklungsländern ausbeuterischen Bedingungen: in Textilfa- Das Gesetz ist das Ergebnis langwierigen
ein Stück bessere Lebenschancen und Zu- briken, Steinbrüchen oder auf Kaffee- Ringens. Die Bundesvereinigung der
kunftsperspektiven geben«, sagt Müller. plantagen – auch für unsere Produkte.« Deutschen Arbeitgeberverbände machte
»Wir haben heute einen historischen ebenso Front gegen das Vorhaben wie
Durchbruch geschafft«, sagt Heil. Das Ge- Das Lieferkettengesetz soll das ändern. der Bundesverband der Deutschen Indus-
setz werde dafür sorgen, »dass Produkte »Es geht nicht darum, überall in der Welt trie, der Industrie- und Handelskammer-
tag und der Handelsverband Deutsch-
land (HDE). »Der Wirtschaft kann nicht
die Verantwortung übertragen werden,
die Achtung der Menschenrechte durch-
zusetzen«, sagt dessen Hauptgeschäfts-
führer Stefan Genth. »Die Verbesserung
von Rechtsstandards und die Sicherstel-
lung der Rechtsdurchsetzung in den je-
weiligen Ländern sind originär staatliche
Aufgaben.« Würde das Gesetz verab-
schiedet, stünde jeder Unternehmer »mit
beiden Beinen im Gefängnis«, warnte Ar-
beitgeberpräsident Ingo Kramer.
Unterstützung fanden die Gegner bei
Müllers Union-Kollegen Peter Altmaier.
Der CDU-Wirtschaftsminister setzte im
März vergangenen Jahres im Kabinett
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales durch, dass das Gesetz zunächst auf Eis
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