Page 20 - German Council Magazin 02.2014
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GERMAN COUNCIL . IN MOtION
© Detlef Göckeritz © Detlef Göckeritz
fangs kostet es ja immer Geld. Die Frage ist: Wie hat man die Ent- kein anderer Händler hat in Deutschland so eine Pleite erlebt. Er hat
wicklung im Blick und trifft den richtigen Moment? Wer zu spät es versäumt, sein Geschäftsmodell sorgfältig an die kulturellen Ei-
kommt, den bestraft das Leben, wer zu früh kommt, auch. Wie in der gentümlichkeiten anzupassen. Wenn er Scheibenbremsen herge-
Natur bilden sich auch im Handel symbiotische Strukturen aus. Was stellt hätte, hätte er auch in Deutschland Erfolg gehabt.
ist ein Einkaufszentrum anderes als eine symbiotische Großveranstal-
tung? Der Erfolg guter Center liegt im Mietermix, weil dort die Sym- IB Regeneration von Läden heißt konkret ...
biose vergleichbar besser ist als bei der Konkurrenz. All das ist eine Retail ist Detail. Da gibt es keine ganz wichtigen Punkte und über-
Frage der Koordination und Harmonisierung. Ein Center wird als ein haupt keine unwichtigen Punkte. Es gibt keinen Punkt, mit dem sie
Gesamtkunstwerk erlebt. alles gewinnen können, aber viele Punkte, mit denen sie alles verlie-
ren können.
RW Dennoch wünschen sich Kunden mehr Bestellautonomie – wie be-
kommt man die in den Drogeriemarktrhythmus integriert? RW Wo ist der Punkt, an dem Sie keine weitere Filiale eröffnen?
Sie können mit einem Geschäftsmodell nicht alle glücklich machen. Wenn wir feststellen würden, dass es uns nicht mehr gelingt, so auf-
Aber genügend Menschen im Einzugsgebiet müssen sagen: »dm ist zutreten, dass Kunden sich mit uns verbinden wollen. Dann müssten
besser.« So muss man es zuschneiden. Im Einzelhandel können Sie Sie etwas verändern, den Laden schließen oder verkaufen. Sie dürfen
kein Monopolist sein. Früher habe ich auf der Straße beobachtet, Kunden nie drängen – Entwicklung entsteht nicht durch Druck, son-
wer zu uns herein geht, wer zu Schlecker. Ich habe es nie verstanden, dern durch Sog. Allein mit Druck hebt kein Flugzeug ab. Und wenn
wie man zu Schlecker gehen kann – weder vom Erscheinungsbild Sie wollen, dass Kunden auf Sie fliegen, müssen Sie einen Sog erzeu-
noch von den Produkten, und selbst die Preise waren höher. Bis heu- gen. Der entsteht durch Wertschätzung, nicht durch Druck.
te habe ich keine Erklärung.
RW Hatten Sie nie Angst, dass sich Läden in übersättigten Märkten zu ›Aber warum heißt Erfolg Erfolg?
kannibalisieren beginnen? Weil er Folgen hat!‹
Es gibt keinen Sättigungsgrad im Einzelhandel. Sind Geschäfte oder
Standorte nicht mehr attraktiv, sind sie ausgeleiert. Schlecker war Prof. Götz Werner
anfangs enorm erfolgreich. Sonst hätte das Unternehmen nie so
wachsen können. Doch Wachstum ist die Folge von Veränderung,
nicht die Ursache dafür – wie man bei Kindern wunderbar beobach- IB Alle Ihre Mitarbeiter kennen Sie, wie sieht das bei Ihren Kunden
ten kann. Kinder verändern sich, dann wachsen sie. Das hab ich als aus?
Vater von sieben Kindern gut beobachten können. Im Handel ist das Letztens war ich in einer Filiale am Bodensee, als mich eine ältere
nicht anders. Verändern wir uns, können wir wachsen. Wachsen wir Dame fragte: »Sind Sie der Chef?« Ich sagte: »Nein, gnädige Frau, bei
nur, bildet sich eine Blase, die eines Tages platzt. uns ist jeder Chef!« Es ist wichtig, sich das klarzumachen! Jeder, der
vorm Kunden steht, ist der Chef – einen anderen gibt es ja in dem
RW Bei über 2900 Filialen – kann man da noch gesund wachsen? Moment für den Kunden nicht (lacht). Im Einzelhandel gibt es kein
Ja, so lange, wie es fließt. Menschen ändern sich durch die Verände- Oben und Unten, sondern nur ein Hinten und Vorne. Vorne ist oben,
rung kultureller Rahmenbedingungen und vice versa. Regeneration aber oben selten vorne!
und Expansion in Einklang zu bringen, ist die Herausforderung für
den Handel. Der Handel ist eine Kulturveranstaltung, deshalb müs- RW Ist das der Grund, warum Sie den Begriff »Firmenzentrale« zu-
sen Sie an der Kultur anknüpfen; würden Sie Scheibenbremsen her- gunsten des Begriffs »rückwärtige Dienste« abgeschafft haben?
stellen, wäre es eine technologische Veranstaltung, die physikali- Ja, denn mit Begriffen begreifen wir die Welt und mit falschen Be-
schen Gesetzmäßigkeiten folgt. Die sind überall auf der ganzen Welt griffen greifen wir sinnbildlich daneben. Die Zentrale ist, wo unsere
gleich. Greifen Ihre am besten und sind Sie günstiger als andere, Kunden sind, also unsere Filialen. Es ist eigentlich eine leidvolle Sa-
werden Sie Weltmarktführer sein. Anders im Handel. Walmart ist der che, dass Tausende von diplomierten Betriebswirten jährlich die
beste, größte und erfolgreichste Einzelhändler der USA, doch noch Universität verlassen und ein unzutreffendes Bild im Kopf haben,
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