Page 11 - German Council Magazin 02.2014
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          Dorfladen Otersen: Bürger zwischen 17 und 77 erbrachten 5.000 Std. Eigenleistung  Spitzenköche Open-Air in Otersen




          me  durch:  Lieber  wenige  Große  als  viele  Kleine.  Für  ihren  geübten   Weil ihnen ihr 140-qm-Laden nicht den nötigen Platz bot, kaufte die
          Renditeblick sind die Miniaturstädte nur eins – Verlustgeschäfte.  Ladeninitiative ein baufälliges kleines Bauernhaus.

          Und vielen Orten blüht erst noch, was Otersen bereits um 1980 erlebte.   Diesmal griffen die aktiven Bürger nicht nur zur Kohle, sondern auch
          Es schrumpfte von 500 auf 400 Einwohner. Eigentlich war der Heideort   zur Kelle. Insgesamt steckten 70 Bürger 5.000 Stunden Eigenleistun-
          auf dem besten Weg zum toten Dorf; dann brachte 1991 die Aufnahme   gen in den alten Fachwerkhof, für den sie 70.000 Euro bezahlten. Ge-
          ins Dorferneuerungsprogramm die Wende. Die Fördergelder sanierten   schätzte 600.000 Euro ist der Kollektivbesitz heute wert. Mit EU- und,
          heruntergekommene Häuser und das geschundene Selbstbewusstsein   Gemeindegeldern  sowie  der  Verdoppelung  von  Bürgereinlagen  auf
          ihrer Bewohner gleich mit. Statt weiter Energie mit Mangelklagen an   100.000 Euro wurde die Anschubfinanzierung gestemmt. Statt Miete
          Gemeinde-  und  Landesväter  zu  vergeuden,  half  der  Revitalisierungs-  zu zahlen, tilgt man nun 218.000 Euro Darlehen. Das Beste: Neben 40
          schub,  die  Welt  wieder  aktiv  zu  gestalten.  Mit  520  Menschen  leben   Quadratmetern mehr Verkaufsfläche gibt es nun 70 Extraquadratme-
          heute mehr in Otersen als vor dem Abschwung. Bei den Neubürgern   ter  Café.  Hier  strickt  der  Knüddelclub,  schnuddeln  die  Dorfältesten
          nachgefragt, stellten die Einheimischen verblüfft fest, dass Bauland zu   und freitags gibt’s Suppe. Klappt alles wie geplant, wird künftig täg-
          Schnäppchenpreisen von 35 Euro pro Quadratmeter gar nicht der An-  lich ein Mittagsgericht serviert.
          siedlungsgrund Nummer eins war. Entscheidender waren der örtliche
          Kindergarten und – der Laden. Der ist gewissermaßen Akupunktur fürs   All dies ist Dienst am Kunden, bahnt aber auch den Weg zum Extrage-
          Dorf.  Mit  einem  gezielten  Stich  hält  er  die  Gemeinschaftsenergie  in   schäft. Der Einzugsradius des Dorfladens ist mit 520 Oterser, 190 Witt-
          Fluss – Alte müssen nicht abwandern, Junge wollen bleiben und Neue   lohern  und  900  Gelegenheitskäufern  aus  den  Nachbargemeinden
          ziehen  zu.  Betrieben  wird  der  Laden  wohlgemerkt  nicht  von  Profis,   überschaubar klein. Der Deckungsgrad des Lebensmittelsbedarfs zählt
          sondern von Bürgern, die sich, getrieben von Wunsch nach Lebensqua-  mit 35 % schon zu den hohen. Was aber, wenn die jährlich 6000 Rad-
          lität, ermächtigen. Doch die Gesetze des Handels sind erbarmungslos   wanderer lokale Köstlichkeiten zu schätzen lernen? Oder sich vorbei-
          und überall gleich: Nur wer am Ball bleibt, bleibt für Kunden attraktiv.   fahrende Autos zum Snack-Shop-Stop hinreißen ließen?
          2010 stand die Modernisierung an. »Vor 13 Jahren hat sich noch kein
          Dorfladen mit Kaffeeecke gegründet, heute gehört sie mit dazu«, be-  Wer allerdings in romantischer Verklärung eine emsige Emma in der
          schreibt Lühning den bundesweit zu beobachtenden Konzeptwandel.   Tenne erwartet, der wird sich wundern. »Emmas Enkel« sind spürbar

                                                                                                             GCM 2 / 2014  
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