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GCM 1-2017

GERMAN COUNCIL . RESPEKT einander an. Und mit Luft zwischen den Wän- den wählte man die effektivste Schalldäm- mung. So eine Bauqualität findet nicht statt, wenn man die meisten Quadratmeter aus dem Boden quetschen will. Wer bitte entwirft heu- te noch Innenräume? Früher war das Prüfen der Proportionen Standard, heute verlässt man sich auf Bauvorschriften – entsprechend sind die Resultate. Ein wichtige neue Bauvorschrift: Deutsche Ge- bäude sollen grün sein. In der Praxis sind sie vor allem teuer. Wie prägt die »Nachhaltigkeitsdik- tatur« die Stadt? HelmuM GeiserM: Teuer ist ein schwieriges Wort. Ich glaube, es war Oskar Wilde, der sag- te: »Ich kann mir keine billigen Schuhe leisten, die sind langfristig zu teuer.« Beim Invest spa- ren, das rächt sich später. Behörden versuchen deshalb nachhaltige Qualität mit Vorgaben zu erzwingen. Wenn sie dabei nur die Bedürfnis- se der Dämmstoffindustrie befriedigen, bringt das natürlich nichts. Weder Stadtzentren, noch Malls sind beson- ders originell darin, neue Modelle auszubil- den. Um städtisches Leben zu suggerieren, ahmt man historische Straßen, Marktplätze oder die Passagen nach. Neue Innenraumkon- zepte gibt es kaum, dabei liefert Le Corbusiers Buch »Städtebau« wunderbare Vorlagen. Rem Koolhaas wagte den Versuch, Etagen über Rampen zu verbinden, Kassels Treppenstraße experimentiert mit einem anderen Typus Fla- niermeile. Investoren interessiert vor allem Gewinn. Killt das Stadtqualität? HelmuM GeiserM: Gier setze ich bei Investoren voraus, was nicht Schlimmes sein muss. Nein, Investoren haben darauf erstmal wenig Ein- fluss. Sie bauen schöne und mal weniger schö- ne Fassaden. Der eigentliche Killer sind Be- bauungspläne, gesetzliche Regularien und die Parzellierung. Das sind gesellschaftlichen Fra- gen, auf die Investoren anfangen könnten, Einfluss zu nehmen. HelmuM GeiserM: Nur wer über Konventionen nachdenkt, kann dem biederen Städtebau ent- kommen. Entscheidend ist: Will ich die siche- re, konventionelle Nummer für den Immobili- enfond? Oder bin ich zu gedanklicher An- strengung bereit und will über Kommerzarchi- tektur hinauswachsen? Marc Kochers Wohn- bebauung südlich des Spittelmarktes zeigt, dass das machbar ist. Statt geschlossen den Blockrand zu schließen, öffnet sich der Garten zur Straße. Die Materialqualität ist edel und die Wohnungen waren allesamt am ersten Tag verkauft. Bis zum 1. Weltkrieg war das eine übliche Bauform: Gewerbe unten, das Querge- bäude und die Seitenflügel mit Wohnen und Arbeit durchmischt. Das Gespräch führte Rahel Willhardt, freie Journalistin Qualität ist eine Frage des intelligenten Ent- wurfs, nicht des Geldes. Details, die früher selbstverständlich waren, bleiben heute unbe- rücksichtigt: Fenster sind bündig statt zurück- zuspringen, um vor Starkregen zu schützen; Dachtraufen durchfeuchten die Fassade, weil der Dachüberstand aus der Mode kam. Nein, Hauptkostentreiber ist nicht die Qualität. Es ist die Spekulation mit Bodenpreisen. Und der Umstand, dass die Bauindustrie immer noch mit vorindustriellen Methoden arbeitet. Ein simples Badezimmer kostet mehr als ein hoch- komplexer VW-Golf. Baute den ein Klempner, wäre der auch unbezahlbar. Eigentlich ist Stadtplanung einfach: Qualität ist dort, wo sich Menschen gern aufhalten. Die Fußgängerzonen großer Städte sind voll. Spricht das für Bauqualität? HelmuM GeiserM: Nö, die Sonderangebote zie- hen Menschen an. In der einen oder anderen Stadt mag es auch die historische Schönheit sein. Aber die ist meistens Touristen und Wohlhabenden vorbehalten. Doch die Handelswelt lebt nicht von Patek- Phillippe-Käufern. Luxusboutiquen zahlen horrende Mieten. Das macht die Lagen exklu- siv, aber monoton. Hier entstehen Factory Outlets mit echten Fassaden. Ähnliches gilt für den Kudamm. Früher eine feine Wohnge- gend mit Vorgärten, heute ein Einkaufszent- rum mit historischem Ambiente. Kaum je- mand wohnt hier, der Handel bestimmt das Geschehen.  GCM 1 / 2017 So lange sie weder intelligentere Lösungen noch ihre Renditevorteile kennen, akzeptieren sie bestehende Baupläne. Oder nehmen Sie Regularien. Viele sind dumm, weil niemand ihre Relevanz prüft. Projektentwickler nötigen sie, Parkplätze und andere überflüssige Dinge unterzubringen. Obwohl das Nachlassen oder gar Ende des Individualverkehrs absehbar ist. Und Parzellen normieren Bauland und diktie- ren, wie wir uns durch die Stadt bewegen. Fehlt Planern der Respekt vor der Stadt? HelmuM GeiserM: Die Gesellschaft fordert ihn nicht ein, die Politik bedient ihn nicht. Vorm ersten Weltkrieg gab es fundierte Reflexionen zu Architektur und Städtebau. Eigentlich sind alle guten Ideen bereits vorgedacht, man müsste das Wissen nur wieder aktivieren. Theoretisch sind lebenswerte Planungen ein- fach – man baut alte Stadtmodelle nach. In der Praxis funktionieren Retortenquartiere selten. Wieso? INFO Professor Helmut Geisert (1951) zählt zu den füh- renden Architekturhistorikern und -theoretikern Deutschlands. Er produzierte und verfasste zahl- reiche Ausstellungen und Publikationen, lehrte an der Kunsthochschule Weißensee Berlin sowie der Universität Kassel und berät Projektentwickler. Die Handelsimmobilienbranche ist für mich: ... wie eine große Familie mit tollen Akteuren und ständig im Wandel. JULIA GRAF Regionalleiterin Centermanagement Süd bei der IPH Cen- termanagement GmbH

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