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GCM 1-2017

GERMAN COUNCIL . RESPEKT Professor Helmut Geisert räume für Großmütter und Punker schaffen, statt sie rauszuschmeißen? Shopping Center sollten die glückliche Gegen- welt zum Alltag sein. Mit ihrer Ausstattung kann es kein öffentlicher Raum aufnehmen: Klimatisie- rung, Rolltreppen, allwährende Sicherheit und Sauberkeit. REM schrieb vor fast zwanzig Jahren ein umfangreiches Buch über Shopping. Er sieht Einkaufspaläste als Chance, Raumqua- litäten zu schaffen, die es nirgendwo sonst zu finden gibt. Darin liegt die Herausforderung. Baulich entstanden bereits viele neue Qualitä- ten. Die gilt es architektonisch weiter ausrei- zen. Mit dem Fondaco dei Tedeschi Venedig entstand jüngst eine Mall im historischen Pa- last, deren Raumqualität nicht zu toppen ist! Aber auch Berlins Alexa hat eine innere Groß- zügigkeit. Und die Terrazzoböden sind ebenso stimmig wie der Mix aus Marktplatz, Kommerz und Unterhaltung. Nicht so gelungen ist die Mall of Berlin. Sie wirkt kleinkariert und billig. Fassadenteile sind aus preiswertem Material, die Decke fällt einem auf den Kopf – Ladenflä- che zu maximieren, war wohl das Wichtigste. Die Bauqualität war früher offensichtlich besser. Warum änderte sich das? HelmuM GeiserM: Dass sich die Bauqualität seit den 1950er-Jahren aufzulösen beginnt, liegt vor allem an den Rahmenbedingungen: Statt Handwerkern arbeiten immer mehr Billiglohn- kräfte; einst selbstbewusste Bauherren wur- den durch oft mittelmäßiges Management er- setzt; mit den AGs wird der Bauprozess ano- nym, kleinkarierte Juristereien sind keine Sel- tenheit. All dies verkleinert die Spielräume der Architekten immens, von der Normierung ganz zu schweigen. In der DDR gab es kein Grundstückseigentum. Wie beeinflusste das die Art zu bauen? HelmuM GeiserM: Verzicht auf Grundbesitz wäre der einfachste Weg zu mehr Bauqualität. Dann würden keine Parzellen mehr die Tiefe und Breite des Baugrunds vordefinieren. Be- stimmte Bauformen schlössen sich nicht mehr kategorisch aus. Und die vorherrschende Ty- pologie des städtischen Reihenhauses in ge- schlossener Einheit verlöre ihre Dominanz. Im kapitalistischen Deutschland wären Arbei- terpaläste wie an der Karl-Marx-Allee undenk- bar gewesen. Gebaut, um den Bedürfnissen der neuen Gesellschaft räumlich Ausdruck zu verleihen, sind sie auffällig großzügig. Im Sozi- alstaat konnte man problemlos Parzellen ei- nen. Ihr Interieur greift die alte Idee schöner Räume neu auf. Jedes Zimmer ist proportional perfekt – Größe und Deckenhöhe passen sich GCM 1 / 2017 1

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